Rom: Band 1
zwischen den schweren, rötlichen Palästen von unendlicher, reiner Bläue.
Dario hörte nicht auf, zu lächeln und leicht den Kopf zu neigen; er nannte Pierre die Namen der Fürsten und Fürstinnen, der Herzoge und Herzoginnen – klangvolle Namen, deren Glanz die Geschichte erfüllte, deren tönende Silben das Aufeinanderprallen der Rüstungen in der Schlacht, der päpstlichen Prunkaufzüge mit den Purpurornaten, den goldenen Tiaren, den heiligen, juwelenfunkelnden Gewändern heraufbeschwor. Aber Pierre sah zu seiner Verzweiflung dicke Damen, kleine Herren, aufgeblasene oder gebrechliche Wesen, die durch die moderne Tracht noch häßlicher wurden. Dennoch sah man einige hübsche Frauen, besonders Mädchen, stumm, mit großen, klaren Augen. Als Dario ihm den Palazzo Buongiovanni, eine ungeheure Fassade aus dem siebenzehnten Jahrhundert mit von Laubwerk umgebenen Fenstern von schwerem, widerwärtigem Geschmack zeigte, fügte er belustigt hinzu:
»Ah, sehen Sie, da ist Attilio, dort auf dem Trottoir. Der junge Lieutenant Sacco – Sie wissen, nicht wahr?«
Pierre antwortete mit einem bejahenden Zeichen. Attilio, in Uniform, ganz jung, mit seinem lebhaften und wackeren Aussehen, seinem freimütigen Gesicht, in dem die blauen Augen seiner Mutter zärtlich leuchteten, bezauberte ihn sofort. Er war wirklich die Jugend und die Liebe in ihrer ganzen schwärmerischen und um die Zukunft unbekümmerten Hoffnung.
»Sie werden gleich sehen,« fuhr Dario fort, »wenn wir an dem Palast wieder vorbeikommen. Er wird noch dort stehen. Ich werde Ihnen etwas zeigen.«
Und er sprach heiter über die jungen Mädchen, diese im Sacré-Coeur in solcher Abgeschlossenheit erzogenen und übrigens zumeist so unwissenden kleinen Prinzessinnen und Herzoginnen. Sie vollendeten dann ihre Erziehung an der Schürze ihrer Mütter, machten mit ihnen die obligate Runde auf dem Corso und verlebten die endlosen Tage wie in einem Kloster, gefangen in den düsteren Palästen. Aber welche Stürme gab es in diesen stummen Seelen, in die niemand noch hinabgestiegen! Wie brach manchmal unter diesem passiven Gehorsam, unter dieser scheinbaren Unkenntnis der Umgebung langsam die Willenskraft hervor! Wie viele wollten eigensinnig ihr Leben selbst gestalten, den Mann, der ihnen gefiel, wählen und ihn der ganzen Welt zum Trotz besitzen! Und der Geliebte wurde unter der Flut der jungen Leute aus dem Corso gewählt, der Geliebte wurde auf dem Spaziergang mit den Augen geangelt, mit den reinen, sprechenden Augen, deren Blick für das Geständnis, für die vollständige Hingabe genügten, ohne daß ein Hauch über die keusch geschlossenen Augen kam. Zuletzt kamen die in der Kirche verstohlen zugesteckten Liebesbriefchen und die gekaufte Kammerfrau erleichterte die anfangs so unschuldigen Begegnungen. Oft gab es am Ende eine Hochzeit.
Celia begehrte Attilio von dem Moment an, da sich ihre Blicke an dem tödlich langweiligen Tage, wo sie ihn zum erstenmal von einem Fenster des Palazzo Buongiovanni erblickte, begegnet hatten. Er hob zufällig den Kopf und sie nahm ihn für immer gefangen, indem sie sich ihm mit den großen, reinen, fest auf ihn gerichteten Augen selbst hingab. Sie war nichts als ein liebendes Weib – sonst nichts. Er gefiel ihr, sie wollte ihn besitzen – diesen und keinen andern. Sie hätte zwanzig Jahre auf ihn gewartet, aber sie gedachte ihn durch die ruhige Hartnäckigkeit ihres Willens sofort zu erobern. Man erzählte sich von den schrecklichen Wutausbrüchen des Fürsten, ihres Vaters, die an ihrem ehrerbietigen und störrischen Schweigen zerschellten. Der Fürst, aus gemischtem Blut, Sohn einer Amerikanerin und Gatte einer Engländerin, kämpfte nur, um seinen Namen und sein Vermögen inmitten der benachbarten Zusammenbrüche unversehrt zu erhalten. Es lief auch das Gerücht, daß die Fürstin sich infolge eines Streites, als der Fürst sie verantwortlich machen wollte und ihr vorwarf, über die Tochter nicht genügend gewacht zu haben, mit dem Hochmut und dein Egoismus einer Fremden, die fünf Millionen zugebracht hat, empörte. War es nicht genug, daß sie ihm fünf Kinder geschenkt? Sie brachte ihre Tage damit zu sich anzubeten, überließ Celia sich selbst und kümmerte sich nicht um das Haus, durch das der Sturm wehte.
Aber der Wagen fuhr von neuem an dem Palazzo vorüber und Dario machte Pierre aufmerksam.
»Sehen Sie, da ist Attilio wieder ... Und jetzt sehen Sie hinauf – das dritte Fenster im ersten Stock.«
Es war ein
Weitere Kostenlose Bücher