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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Boccanera, die Art und Weise, wie die noch immer prächtige Frau ganz wie ein junges Mädchen auf dem Corso mit den Blicken sich einen schönen, fünfzehn Jahre jüngeren Mann, der nach ihrem Geschmacke war, geangelt hatte. Und wer war dieser Mann, dieser Jules Laporte? – Ein ehemaliger Sergeant der Schweizergarde, wie es hieß, ein ehemaliger Geschäftsreisender mit Reliquien, der sich in einer außerordentlichen Geschichte mit falschen Reliquien kompromittirt hatte. Schließlich hatte sie einen Marquis Montefiori aus ihm gemacht, der eine sehr stattliche Figur abgab – der letzte der Glücksritter in dem legendären Lande, wo die Schäfer Königinnen heiraten.
    Bei der nächsten Runde, als der große Landauer wieder vorbeikam, sah Pierre die beiden an. Die Marquise war wirklich erstaunlich in ihrer ganzen, vollerblühten, klassischen römischen Schönheit, groß, stark, sehr brünett, mit einem Göttinnenkopf und regelmäßigen, etwas derben Zügen; ihr Alter verriet sich nur durch den Flaum, mit dem ihre Oberlippe bedeckt war. Und der Marquis, dieser romanisirte Genfer, war mit seinen breiten, kräftigen Offiziersschultern und seinem aufgedrehten Schnurrbart wirklich von stolzem Anstand, Es hieß, daß er nicht dumm, sehr munter und sehr geschmeidig, für Damen sehr unterhaltend sei. Sie war so stolz auf ihn, daß sie ihn überall umherschleppte und zur Schau stellte; sie hatte mit ihm das Leben von neuem begonnen, als wäre sie zwanzig Jahre alt gewesen, und verzehrte in seinen Armen das kleine, aus der Katastrophe der Villa Montesiori gerettete Vermögen. – Sie vergaß ihren Sohn so völlig, daß sie ihn nur manchmal ans der Promenade sah und wie einen zufälligen Bekannten grüßte.
    »Sehen wir uns den Sonnenuntergang hinter S. Peter an!« sagte Dario in seiner Rolle des gewissenhaften Fremdenführers.
    Der Wagen kehrte auf die Terrasse zurück, wo eine Militärmusikkapelle spielte. Die Blechinstrumente lärmten schrecklich. Viele Equipagen standen bereits still, um zuzuhören, wühlend eine unaufhörlich wachsende Menge von Fußgängern, einfachen Spaziergängern sich angehäuft hatte. Von dieser bewunderungswürdigen, sehr hohen und sehr breiten Terrasse entfaltete sich eine der herrlichsten Aussichten von Rom. Jenseits des Tiber, über das bläßliche Chaos des neuen Viertels neben dem Schlosse, erhob sich S. Peter zwischen dem Grün des Monte Mario und des Janiculus. Dann kam links die ganze alte Stadt, eine grenzenlose Dächerfläche, ein wogendes, unabsehbares Meer von Gebäuden. Aber die Blicke kehrten immer wieder nach S. Peter zurück, der in reiner und majestätischer Größe im Azur thronte. Und der langsame Sonnenuntergang hinter dem Koloß am Grunde des ungeheuren Himmels bot von der Terrasse aus einen erhabenen Anblick.
    Manchmal ist es ein Zusammenbrechen blutiger Wolken, sind es Schlachten von Riesen, die mit Bergen gegen einander kämpfen und unter den ungeheueren Ruinen brennender Städte erliegen. Manchmal zeichnen sich von einem düstern See nur rote Risse ab, als wäre ein Lichtnetz hineingeworfen worden, um aus den Algen das versunkene Gestirn wieder herauszufischen. Manchmal senkt sich ein rosiger Nebel, ein zarter Staub herab, den ein ferner Regenschauer, dessen Vorhang über das Geheimnis des Horizontes gezogen ist, mit Perlen gestreift hat. Manchmal ist es ein Triumphzug von Purpur und Gold, Wolkenwagen, die über eine Feuerstraße rollen, Galeeren, die über ein Azurmeer ziehen, ein prunkvolles, phantastisches Gepränge, das in dem allmälich sich vertiefenden Abgrund der Dämmerung untergeht.
    Aber an diesem Abend bot sich Pierre ein erhabenes Schauspiel in ruhiger, blendender und hoffnungsloser Größe. Zuerst, gerade über dem Dom von S. Peter, war die Sonne, an einem fleckenlosen, tief klaren Himmel untergehend, noch so leuchtend, daß das Auge ihren Glanz nicht ertragen konnte. In diesem Leuchten erschien der Dom wie weißglühend, wie ein Dom aus flüssigem Silber, während das benachbarte Viertel, die Dächer des Borgo, sich gleichsam in einen Glutsee verwandelt zu haben schienen. Dann, in dem Maße, als die Sonne tiefer sank, nahm ihre Glut ab, und man konnte sie betrachten; bald glitt sie majestätisch langsam hinter den Dom, der sich vollständig in dunklem Blau abzeichnete, als das hinter ihm verborgene Gestirn rings um ihn nur noch eine Aureole, eine Glorie bildete, aus der kronenförmig flammende Strahlen aufzuckten. Und nun begann das Traumbild, die seltsame

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