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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Beleuchtung der Fensterreihe, die sich unter der Kuppel hinzieht; das Licht verwandelte sie in die rot glühenden Oeffnungen eines Schmelzofens, so daß man hätte glauben können, der Dom ruhe auf einer in der Luft isolirten, von der Gewalt des Feuers gehobenen und getragenen Kohlenpfanne. Das dauerte kaum drei Minuten. Unten tauchten die wirren Dächer des Borgo in lila Dämpfen unter, während der Horizont sich vom Janiculus bis zum Monte Mario in einer deutlichen, schwarzen Linie abzeichnete und nun der Himmel seinerseits zu Purpur und Gold wurde, mit der unendlichen Ruhe einer übermenschlichen Helle über der vergehenden Erde lag. Zuletzt erloschen die Fenster, erlosch der Himmel, und in der hereinbrechenden Nacht blieb nichts übrig als die unbestimmte, immer mehr sich verwischende Rundung des Domes von S. Peter.
    In diesem Augenblicke sah Pierre durch eine geheime Gedankenverbindung abermals die hohen, traurigen und dem Verfall sich zuneigenden Gestalten des Kardinals Boccanera und des alten Orlando vor sich erstehen. Am Abend dieses Tages, an dem er diese in ihrer Hoffnung so großen Männer einen nach dem andern kennen gelernt hatte, standen sie beide aufrecht am Horizont über ihrer erniedrigten Stadt, am Rande des Himmels, den der Tod zu ergreifen schien. Sollte denn alles so mit ihnen zusammenbrechen, alles in der Nacht der abgelaufenen Zeit erlöschen und verschwinden?

V.
    Am nächsten Tage erschien Narcisse Habert verzweifelt bei Pierre, um ihm zu sagen, daß sein Vetter, Monsignore Gampa del Zoppo, der Geheimkämmerer, sich für leidend ausgebe und zwei bis drei Tage Zeit verlange, ehe er den jungen Priester empfangen und sich mit seiner Audienz beschäftigen könne. Pierre war also zur Unbeweglichkeit verurteilt, da er nicht wagte, auf anderem Wege einen Versuch zu machen, um den Papst zu sehen; man hatte ihn derart erschreckt, daß er durch einen ungeschickten Schritt alles zu verderben fürchtete. Und unbeschäftigt wie er war, begann er, da er seine Zeit ausfüllen wollte, Rom zu besichtigen.
    Sein erster Besuch galt den Ruinen des Palatin. Schon um acht Uhr morgens, bei klarem Himmel, ging er ganz allein fort und begab sich zu dem in der Via S. Teudoro befindlichen Eingang, einem Gitter, das von den Pavillons der Wächter eingefaßt wird. Sofort trat einer derselben herzu und bot sich als Führer an. Er hätte vorgezogen, seiner Phantasie nachzugehen, sich auf gut Glück seinen Entdeckungen und seinem Traum zu überlassen, aber es war ihm peinlich, das Anerbieten dieses Mannes zurückzuweisen, der sehr deutlich und mit einem guten, gefälligen Lächeln französisch sprach. Es war ein kleiner, stämmiger Mann, ein ehemaliger Soldat, etwa sechzig Jahre alt, mit einem viereckigen, rötlichen, von einem dicken weißen Schnurrbart geteilten Gesicht.
    »Wenn der Herr Abbé mir also folgen will ... Ich sehe, der Herr Abbé ist Franzose. Ich bin Piemontese und kenne die Franzosen sehr gut: ich war mit ihnen bei Solferino. Ja, ja, man kann sagen, was man will, das vergißt man nicht, wenn man einmal verbrüdert war. Bitte, hier rechts.«
    Als Pierre die Augen hob, erblickte er die Linie der Zypressen, die die Plattform des Palatin auf der Tiberseite begrenzen. Er hatte sie am Tage seiner Ankunft vom Janiculus aus gesehen. In der so zart blauen Lust erschien das tiefe Grün der Bäume wie eine schwarze Franse. Außer ihnen war nichts zu sehen; der Abhang streckte sich kahl und nackt, schmutzig staubgrau hin, bestreut mit einigen Buchsbaumstauden, in deren Mitte die oberen Enden antiker Mauern aufschimmerten. Das war die Verwüstung, die aussätzige Trübseligkeit des Ausgrabungsterrains, an dem sich nur die Gelehrten begeistern.
    »Die Häuser des Tiberius, des Caligula und der Flavier sind dort oben,« fuhr der Führer fort. »Aber wir heben sie uns bis zuletzt auf; wir müssen der Reihe nach gehen.«
    Dennoch wendete er sich einen Augenblick nach links und blieb vor einer Höhle, einer Art Grotte in der Flanke des Berges stehen.
    »Das ist das Lupercale, wo die Wölfin Romulus und Remus säugte. Früher war noch am Eingang der Feigenbaum Nominal zu sehen, der die Zwillinge schützte.«
    Pierre konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, so einfach und überzeugt gab der alte Soldat seine Erklärungen, und so stolz war er außerdem auf all diesen antiken Ruhm, der sein Eigen war. Aber als der würdige Mann ihm neben der Grotte die Spuren der Roma quadrata, die Mauerreste gezeigt hatte, die wirklich bis auf

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