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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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flüchtiger, reizender Anblick. Pierre sah, wie ein Zipfel des Vorhangs sich ein wenig lüftete und das sanfte Gesicht Celias erschien, eine reine, geschlossene Lilie. Sie lächelte nicht, sie rührte sich nicht. Nichts ließ sich aus diesem reinen Munde, aus diesen klaren und grundlosen Augen herauslesen. Dennoch nahm sie Altilio an sich und gab sich ihm rückhaltslos. Der Vorhang fiel wieder zu.
    »Ah, die kleine Hexe!« murmelte Dario. »Wer kann wissen, was alles hinter so viel Unschuld steckt?«
    Als Pierre sich umdrehte, bemerkte er Attilio mit noch immer erhobenem Kopfe da stehen; auch sein Gesicht war unbeweglich und bleich, der Mund geschlossen, die Augen weit geöffnet. Und diese schrankenlose Liebe in ihrer plötzlichen Allmacht, die echte, ewige und junge, außerhalb des Ehrgeizes und der Berechnungen der Umgebung stehende Liebe rührte ihn unendlich.
    Dann gab Dario dem Kutscher Befehl, zum Pincio hinaufzufahren; vor oder nach dem Corso ist an schönen, klaren Nachmittagen die Fahrt auf den Pincio obligat. Da kam zuerst die Piazza del Popolo, der luftigste und regelmäßigste Platz von Rom, mit seinen köderartigen Straßen, seinen vier symmetrischen Kirchen, dem Obelisk in der Mitte und den zwei Baumgruppen, die zu beiden Seiten des kleinen weißen Pflasters, zwischen den ernsten, von der Sonne vergoldeten Gebäuden ein Gegenstück bilden. Dann fuhr der Wagen rechts die Rampe zum Pincio hinan; es ist das ein zickzackförmiger, mit Basreliefs, Statuen und Springbrunnen geschmückter, prächtiger Weg, eine ganze Apotheose aus Marmor, eine Erinnerung an das antike Rom, das sich da aus dem Grün erhebt. Aber der Garten auf der Höhe kam Pierre klein vor, kaum wie ein großer Square; es war ein Viereck mit vier Alleen, die notwendig waren, damit die Equipagen wenden konnten. Eine ununterbrochene Reihe von Büsten der berühmten Männer des alten und neuen Italiens begrenzte diese Alleen. Pierre bewunderte besonders die Bäume, die mannigfachsten und seltensten, mit unendlicher Sorgfalt gewählten und gepflanzten Holzarten, fast alle mit immerwährenden, Laub, wodurch hier im Sommer wie im Winter ein bewunderungswürdiger, in allen Tönen von Grün abgestufter Schatten erhalten wurde. Der Wagen begann nun hinter den anderen Wagen, einer fortwährenden, unermüdlichen Flut durch die schönen, frischen Alleen zu fahren.
    Pierre bemerkte in einer dunkelblauen, tadellos bespannten Viktoria eine einzelne junge Dame. Sie war sehr hübsch, klein, kastanienbraun, mit mattfarbenem Teint, großen, sanften Augen und sah bescheiden, verführerisch einfach aus. Zu ihrem strengen Kleide aus feuille morte -Seide trug sie einen großen, etwas phantastischen Hut. Da Dario sie betrachtete, fragte der Priester nach ihrem Namen, worüber der junge Fürst lächelte. O, niemand – bloß die Toinette, eine jener seltenen Halbweltlerinnen, mit denen Rom sich beschäftigte. Dann fuhr er offen, mit der schönen Freimütigkeit seiner Rasse in Bezug auf Liebesangelegenheiten fort und teilte Pierre Einzelheiten über Toinette mit. Ihre Herkunft war unbekannt; die einen ließen sie von sehr niedrigem Stande, von einem Schenkwirt in Tivoli, abstammen; die anderen behaupteten, sie sei in Neapel geboren, als Tochter eines Bankiers. Aber auf jeden Fall war sie ein sehr intelligentes Mädchen, hatte sich Bildung angeeignet und machte in ihrem kleinen Palaste in der Via dei Mille, einem Geschenk des alten Marquis Manfredi, der nun tot war, mit großem Geschick die Wirtin. Sie stellte sich nicht bloß, hatte nie mehr als einen Geliebten auf einmal und die Fürstinnen, die Herzoginnen, die täglich auf dem Corso ihretwegen in Unruhe gerieten, fanden sie anständig. Besonders eine Eigenheit hatte sie berühmt gemacht: manchmal ergriff sie eine Herzensleidenschaft, die sie bewog, sich dem Geliebten umsonst hinzugeben und absolut nichts von ihm anzunehmen, als jeden Morgen einen Strauß weißer Rosen, so daß die Leute, wenn sie sie auf dem Pincio oft Wochen hinter einander mit diesen reinen Rosen, diesem weißen Brautbouquet sahen, mit liebevoll wohlgefälliger Miene lächelten.
    Aber Dario unterbrach sich, um zeremoniös eine Dame zu grüßen, die bloß in Gesellschaft eines Herrn in einem ungeheuer großen Landauer vorüberfuhr.
    »Meine Mutter,« sagte er einfach zu dem Priester.
    Diese kannte Pierre, wenigstens hatte der Vicomte de la Choue ihm ihre Geschichte erzählt: ihre zweite Heirat mit fünfzig Jahren, nach dem Tode des Fürsten Onofrio

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