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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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wieder wächst. Essen Sie nicht die vergifteten Feigen, geben Sie sie weder Ihren Leuten noch Ihren Hennen.« Er faltete das Blatt zusammen, versiegelte es mit einer Postmarke und schrieb die Adresse darauf: »An Seine Ehrwürdigste und Erlauchteste Eminenz Kardinal Boccanera.« Als er alles wieder in die Tasche gesteckt hatte, atmete er tief auf und fand sein Lachen wieder.
    Etwas wie ein unbesiegbares Unbehagen, ein ferner Schrecken hatte ihn erstarrt. Ohne daß sich eine bestimmte Schlußfolgerung in ihm gebildet hätte, fühlte er das Bedürfnis, sich gegen die Versuchung einer Niedertracht, eines möglichen Greuels zu sichern. Aber er hätte die Ideenverbindung, die ihn zwang, die vier Zeilen sofort, auf der Stelle, ohne Zögern, bei Strafe des höchsten Unglücks, niederzuschreiben, nicht erklären können. Er hatte nur einen bestimmten Gedanken: er wollte das Billet beim Verlassen des Balles in den Briefkasten des Palastes Boccanera werfen. Nun war er ruhig.
    »Was haben Sie denn, lieber Abbé?« fragte er. indem er sich von neuem ins Gespräch mischte. »Sie sind ja ganz düster geworden.«
    Als Pierre ihm die böse Nachricht mitgeteilt hatte, daß sein Buch verdammt, daß er morgen mir einen einzigen Tag zum Handeln übrig habe, wenn er nicht wolle, daß seine Reise nach Rom eine Niederlage sei, rief er, als empfände er selbst ein Bedürfnis nach Aufregung, nach Betäubung, um trotz allem hoffen und leben zu können:
    »Pah, pah, verlieren Sie nicht den Mut! Man läßt dabei seine ganze Kraft. Ein Tag ist viel, in einem Tage kann man vieles thun! Eine Stunde, eine Minute genügt dem Schicksal, um zu handeln und Niederlagen in Siege zu verwandeln.«
    Und fieberhaft fügte er hinzu:
    »Kommen Sie, gehen wir in den Ballsaal. Wie es scheint, ist es dort wunderbar.«
    Während Pierre und Narcisse ihm folgten, wechselte er einen letzten, zärtlichen Blick mit Lisbeth; alle drei machten sich mit großer Mühe frei und erreichten die Nebengalerie inmitten der eiligen Flut von Frauenröcken, inmitten dieser Schlagwelle von Nacken und Schultern, aus der die lebengebende Leidenschaft, der Duft der Liebe und des Todes aufstieg.
    Die zehn Meter breite und zwanzig Meter lange Galerie entfaltete sich in unvergleichlicher Pracht. Ihre acht kahlen, weder mit Vorhängen noch mit Vitragen versehenen Fenster gingen auf den Corso hinaus und entflammten die gegenüberliegenden Häuser. Eine blendende Helle herrschte; sieben Paar ungeheurer, marmorner Armleuchter wurden von Büscheln elektrischer Lampen in riesige, sonnenartige Pechfackeln verwandelt, und oben, längs des Karnies bildeten andere, von hellfarbigen Blumen umschlossene Lampen ein wunderbares Gewinde von Feuerblüten, Tulpen, Päonien und Rosen. Der alte, mit Goldborten besetzte rote Sammet der Wandtapeten besaß einen feurigen Widerschein, eine helle Glut. Die Behänge an Thüren und Fenstern bestanden aus alten Spitzen, die in farbiger Seide ebenfalls mit Blumen von lebensvoller Kraft bestickt waren. Aber der unvergleichliche, in der Welt einzig dastehende Schatz war die Sammlung von Meisterwerken unter der prächtigen Decke mit den mit Goldrosetten geschmückten Deckenfeldern. Kein Museum hatte eine schönere auszuweisen. Da waren Raffaels, Tizians, Rembrandts, Rubens', Velasquez' und Riberas – hochberühmte Werke, die in dieser unerwarteten Beleuchtung plötzlich in triumphirender Jugend erschienen, als wären sie gleichsam zu dem unsterblichen Leben des Genies wieder erwacht. Da Ihre Majestäten erst gegen Mitternacht kommen sollten, war der Ball eben eröffnet worden; ein Walzer trug die Paare dahin, zarte Toiletten flogen durch die prunkvolle Menge, Ordensdekorationen und Kleinodien, goldgestickte Uniformen und perlenbestickte Kleider rieselten in einem sich unaufhörlich ausbreitenden Schwall von Sammet, Seide und Atlas.
    »Das ist wirklich wunderbar!« erklärte Prada mit seiner aufgeregten Miene. »Kommen Sie doch hierher, wir werden uns wieder in eine Fensternische stellen. Es gibt keinen bessern Platz, um alles gut zu sehen, ohne zu viel gestoßen zu werden.«
    Sie hatten Narcisse verloren und so waren Pierre und der Graf, als sie endlich die gewünschte Nische erreichten, nur ihrer zwei. Das auf einer kleinen Estrade im Hintergründe aufgestellte Orchester hatte eben den Walzer beendet und die Tanzenden schritten wieder langsam, mit entzückt betäubter Miene, durch die wachsende Flut der Menge, als einige Personen erschienen, deren Eintreten alle

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