Rom - Band III
Köpfe herumfahren ließ. Donna Serafina, in einem karmesinroten Atlaskleide, als trage sie die Farben ihres Bruders, des Kardinals, trat wie eine Königin am Arme des Konsistorialanwalts Morano ein. Nie hatte sie ihre dünne, mädchenhafte Taille mehr geschnürt, nie hatte ihr hartes, von großen Falten durchfurchtes und von dem weißen Haar kaum gemildertes Altjungferngesicht eine so störrische und so siegreiche Gewalt ausgedrückt. Ein diskretes, beifälliges Gemurmel erhob sich; es war eine Art allgemeiner Erleichterung, denn die römische Gesellschaft hatte das unwürdige Vorgehen Moranos, ein dreißigjähriges Verhältnis zu brechen, an das sich die Salons wie an eine rechtmäßige Ehe gewöhnt hatten, unbedingt verurteilt. Man sprach von einer unmöglichen Laune für eine kleine Bürgerliche, von einem schlechten Vorwand zum Bruche, den ein Streit über die damals fragliche Scheidung Benedettas bieten sollte. Das Zerwürfnis hatte beinahe zwei Monate gedauert – zum großen Aergernis Roms, in dem der Kultus langer, zärtlicher Liebesverhältnisse noch immer besteht. Daher berührte die Aussöhnung alle Herzen als eine der glücklichsten Folgen des am selben Tage bei der Konzilskongregation gewonnenen Prozesses. Der reuige Morano, Donna Serafinas Wiedererscheinen an seinem Arme – das war sehr schön, das war der Sieg der Liebe; nun war die gute Sitte gerettet, die Ordnung wieder hergestellt.
Aber ein noch größeres Aufsehen entstand, als hinter ihrer Tante Benedetta sichtbar ward, die an der Seite Darios eintrat. Diese ruhige Gleichgiltigkeit gegen die gewöhnlichen Anstandsgründe, dieser Sieg ihrer eingestandenen, vor allen gefeierten Liebe an demselben Tage, an dem ihre Ehe annullirt worden war, erschien als eine so hübsche Kühnheit, als ein solcher Heldentrotz der Jugend und Hoffnung, daß sie ihnen sofort unter einem Murmeln allgemeiner Bewunderung vergeben ward. Gleich Celia und Attilio flogen ihnen die Herzen wegen des Schönheitsglanzes, in dem sie strahlten, wegen des außerordentlichen Glückes, das von ihren Gesichtern leuchtete, entgegen. Dario, noch blaß von seiner langen Krankheit, besaß bei seiner ein wenig schwächlichen Zartheit, seinen schönen, klaren Kinderaugen, seinem braunen Barte, der wie der eines jungen Gottes gekräuselt war, etwas Freies und Stolzes, in dem sich das ganze alte fürstliche Blut der Boccaneras wiederfand. Benedetta, sehr weiß unter ihrer schwarzen Haarkrone, sehr ruhig, sehr gesetzt, ließ ihr schönes Lachen ertönen. Dieses Lachen war bei ihr sehr selten, aber von unwiderstehlich verführerischem Reiz; es verwandelte sie, gab ihrem etwas starken Munde einen blumenhaften Zauber und erfüllte die Unendlichkeit ihrer großen, düstern, unergründlichen Augen mit Himmelsklarheit. Und in dieser wiederkehrenden, so heitern, so süßen Kindheit war sie von dem köstlichen Instinkt geleitet worden, ein weißes Kleid, ein ganz schlichtes Mädchenkleid anzuziehen, dessen Symbol ihre Jungfräulichkeit, die große, reine Lilie verkündete, die sie beharrlich für den Gatten ihrer Wahl geblieben war. Nichts von ihrem Körper war noch zu sehen; sie hatte sich nicht einmal einen diskreten Halsausschnitt gestattet. Das Geheimnis undurchdringlicher, furchtbarer Liebe, die Allmacht erhabener Frauenschönheit schlummerte hier, weiß verhüllt. Kein Schmuck, kein Kleinod war an ihr zu sehen – weder an den Händen noch in den Ohren, und auf dem Leibchen nichts als ein Halsband: aber es war das Halsband einer Königin, das berühmte Perlenhalsband der Boccaneras, das sie von ihrer Mutter geerbt hatte, das ganz Rom kannte. Die fabelhaft großen Perlen waren nachlässig um ihren Hals geworfen, aber sie genügten, um ihr in ihrem einfachen Kleide Königswürde zu verleihen.
»O, wie glücklich, wie schön ist sie!« murmelte Pierre verzückt.
Er bereute sogleich, so laut gedacht zu haben, denn er hörte neben sich einen dumpfen Klageton wie von einem Wild, ein unwillkürliches Murren, das ihn an die Gegenwart des Grafen erinnerte. Dieser erstickte übrigens den Aufschrei seiner jählings wieder geöffneten Wunde, und hatte sogar noch die Kraft, eine brutale Heiterkeit zu heucheln.
»Zum Henker, es fehlt ihnen beiden nicht an Sicherheit! Hoffentlich wird man sie vor uns verheiraten und betten.«
Dann bereute er diese rohe Scherzhaftigkeit, in der sich der Schmerz des ungesättigten männlichen Verlangens aufbäumte, und wollte sich gleichgiltig zeigen.
»Sie ist heute
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