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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Narcisse, dessen Blick sie begegnet war, zugelächelt und er mußte sie nun ebenfalls begrüßen gehen; denn er kannte sie, da er wie die ganze Fremdenkolonie ihr Atelier besucht hatte. Er kehrte zu Pierre zurück, als eine neue Erregung die Diamantenaigretten und Blumen in den Frisuren erzittern ließ. Die Köpfe wandten sich, der wirre Lärm wuchs.
    »Ei, Graf Prada in eigener Person!« murmelte Narcisse verwundert. »Nun, eine schöne Schulterbreite besitzt er! In Sammet und Gold gekleidet, gäbe er eine gute Figur eines Abenteurers aus dem fünfzehnten Jahrhundert ab, der ohne Bedenken in alle Genüsse beißt!«
    Prada trat mit sehr unbefangener, heiterer, fast triumphirender Miene ein. Mit seinen offenen, harten Augen, seinem energischen, von einem dichten, braunen Schnurrbart durchquerten Gesicht über dem breiten, weißen Hemdplastron, das der Frack schwarz umrahmte, hatte er wirklich etwas Stolzes und Beutegieriges an sich. Noch nie hatte sein gefräßiger Mund sein Wolfsgebiß in einem entzückteren, sinnlicheren Lächeln gezeigt. Mit einem raschen Blick prüfte und entkleidete er alle Frauen. Dann, als er die so spitzbübische, so rosige und blonde Lisbeth erblickt hatte, wurde er etwas milder und ging ganz offen auf sie zu, ohne sich im geringsten um die brennende Neugierde zu kümmern, mit der man ihn betrachtete. Er beugte sich zu ihr herab und sprach eine Weile leise mit ihr, sobald Monsignore Fornaro ihm seinen Platz abgetreten hatte. Zweifellos wurde ihm die im Umlauf befindliche Nachricht von der jungen Frau bestätigt, denn er machte, als er sich aufrichtete, eine Geberde und lachte etwas gezwungen.
    Nun sah er Pierre und gesellte sich zu ihm in die Fensternische. Er drückte auch Narcisse die Hand und sagte sogleich mit seiner gewöhnlichen Bravour:
    »Sie wissen, was ich sagte, als wir heute von Frascati zurückkamen. Nun, wie es scheint, ist es geschehen. Meine Ehe ist annullirt worden. Das ist so plump, so unverschämt, so albern, daß ich noch eben daran zweifelte.«
    »O, es ist ganz sicher,« erlaubte sich Pierre zu sagen. »Die Nachricht ist uns eben von Monsignore Fornaro bestätigt worden, der sie von einem Mitglied der Kongregation hat. Man behauptet, daß die Majorität sehr groß war.«
    Abermals wurde Prada von einem Lachen geschüttelt.
    »Nein, nein, eine solche Posse kann man sich gar nicht vorstellen. Das ist meines Wissens die schönste Ohrfeige, die man der Gerechtigkeit und dem gesunden Menschenverstand versetzt hat. O, wenn es nun auch gelingt, die bürgerliche Ehe zu lösen, und wenn meine Freundin, die Sie da drüben sehen, einverstanden ist – wie wird sich da Rom unterhalten! Gewiß, ich werde sie mit großem Pomp in S. Maria Maggiore heiraten! Und es gibt irgendwo in der Welt ein liebes, kleines Wesen, das auf den. Arm seiner Amme das Fest mitfeiern wird!«
    Er lachte bei dieser Anspielung auf sein Kind, diesen lebenden Beweis seiner Männlichkeit, allzu laut, allzu brutal. Litt er, da er eine Falte um die Lippen hatte, die sie zurückschob und seine weißen Zähne zeigte? Man fühlte, daß er zitterte, daß er gegen das Erwachen einer heimlichen, stürmischen Leidenschaft kämpfte, die er sich nicht einmal selbst eingestand.
    »Und kennen sie auch die andere Neuigkeit, lieber Abbé?« fuhr er lebhaft fort. »Hat man Ihnen gesagt, daß die Gräfin kommen soll?«
    So nannte er Benedetta aus Gewohnheit; er vergaß, daß sie nicht mehr seine Frau war.
    »Allerdings, man hat es mir eben gesagt,« antwortete Pierre.
    Er zögerte einen Augenblick, ehe er in dem Bedürfnis, jedweder peinlichen Ueberraschung vorzubeugen, hinzufügte:
    »Zweifellos werden wir auch den Fürsten Dario sehen, denn er ist nicht nach Neapel abgereist, wie ich Ihnen sagte. Ich glaube, im letzten Moment trat eine Verhinderung ein.«
    Prada lachte nicht mehr, sondern murmelte bloß mit plötzlich ernst gewordenem Gesicht:
    »Ah, der Vetter ist dabei! Nun, so werden wir sie sehen, alle beide sehen!«
    Und während die Freunde ihr Gespräch fortsetzten, verstummte er, überwältigt von einer Mut ernster Gedanken, die ihn zum Nachdenken zwangen. Dann machte er eine entschuldigende Geberde, drückte sich tiefer in die Nische, zog ein Notizbuch aus der Tasche und riß ein Blatt heraus, auf das er, nur die Schriftzüge etwas dicker auftragend, mit Bleistift folgende paar Zeilen schrieb: »Eine Legende behauptet, daß der Feigenbaum des Judas, tödlich für jeden, der eines Tages Papst werden will, in Frascati

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