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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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mit der ewigen Sonne fortsetzen werden. Ein lauter Schrei drang durch das Dunkel – der Todesschrei der lateinischen Rasse. Die Geschichte, die in dem Becken des Mittelmeeres geboren zu sein schien, veränderte ihren Platz und der Atlantische Ozean ward heute der Mittelpunkt der Welt. Wie hoch stand der Tag der Menschheit? Befand sich die Menschheit, die von da unten, von der Wiege, von Sonnenaufgang ausgegangen war und von Etape zu Etape ihren Weg mit Ruinen bestreut hatte, in der Mitte des Tages, wenn der Mittag flammt? Dann also begann die andere Hälfte des Tages, dann kam die neue Welt nach der alten, dann waren die Städte Amerikas, wo die Demokratie vorbereitet wird, wo die Religion von morgen keimt, die herrschenden Königinnen des nächsten Jahrhunderts. Und dann kam, da unten, jenseits eines zweiten Ozeans, auf der andern Seite der Erde, der Wiege wieder sich nähernd, der unbewegliche äußerste Orient, das geheimnisvolle China und Japan, die ganze, drohende Zunahme der gelben Rasse.
    Aber in dem Maße, wie der Fiaker die Via Nazionale hinanfuhr, fühlte Pierre den Alpdruck von sich weichen. Es wehte eine leichtere Luft und etwas mehr Hoffnung und Mut kehrten in ihn zurück. Die Bank jedoch machte ihm in ihrer neuen Häßlichkeit, ihrer noch kreidigen Ungeheuerlichkeit den Eindruck eines Gespenstes, das in seinen Totentüchern durch die Nacht wandert; der Quirinal hingegen bildete über den unbestimmten Garten nur eine schwarze, den Himmel durchkreuzende Linie. Aber die Straße stieg immer mehr an, erweiterte sich immer mehr und auf dem Gipfel des Viminal, auf dem Thermenplatz, als Pierre an den Ruinen des Diokletian vorbeifuhr, atmete er tief auf. Nein, nein, der Tag der Menschheit konnte kein Ende nehmen, er war ewig und die Etapen der Zivilisation würden einander endlos folgen. Was lag an dem Ostwind, der die gleichsam von der Kraft der Sonne getriebenen Völker nach Westen trug? Wenn es sein müßte, würden sie auf der andern Seite der Erdkugel zurückkommen, und mehrmals die Runde um die Erde machen, bis sie sich eines Tages in Frieden, Wahrheit und Gerechtigkeit niederlassen konnten. Nach der nächsten Zivilisation am Atlantischen Ozean, der nun der Mittelpunkt geworden und von herrschenden Städten besetzt sein wird, würde abermals eine Zivilisation erstehen, ihr Mittelpunkt würde der Stille Ozean sein, mit Küstenhauptstädten, die man noch nicht voraussehen konnte, deren Keime noch an unbekannten Gestaden schlummerten. Dann kamen wieder andere, immer wieder andere, bis in Unendlichkeit! Und in dieser letzten Minute kam ihm der zuversichtliche, rettende Gedanke, daß die große Bewegung der Nationen der Instinkt, das Bedürfnis der Völker nach einer Rückkehr zur Einheit war. Von einer einzigen Familie ausgegangen, strebten sie, obwohl sie sich später getrennt, in Stämme zerstreut und mit brudermörderischem Haß angefallen haben, wieder dahin, eine einzige Familie zu werden. Die Provinzen vereinigten sich zu Völkern, die Völker vereinigten sich zu Rassen und die Rassen würden sich zuletzt zu der einzigen, unsterblichen Menschheit vereinigen. Endlich eine Menschheit ohne Grenzen, ohne Kriege – eine Menschheit, die von der gerechten Arbeit, in allgemeiner Gütergemeinschaft lebt! War das nicht die Evolution, das Ziel der überall stattfindenden Arbeit, die Lösung der Geschichte? Möge doch Italien ein gesundes, starkes Volk werden, möge doch Eintracht zwischen ihm und Frankreich entstehen, möge diese Brüderlichkeit der lateinischen Rassen der Beginn der allgemeinen Brüderlichkeit werden! Ach, ein einziges Vaterland, eine beruhigte und glückliche Erde! In wie viel Jahrhunderten wird das sein? Und welch ein Traum war das?
    Auf dem Bahnhof, inmitten des Gedränges, dachte Pierre nicht mehr. Er mußte seine Karte nehmen, sein Gepäck aufgeben und stieg sofort in den Waggon. Uebermorgen, bei Tagesanbruch, würde er in Paris sein.

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