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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Bo tius
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Sie sehen, wir sind nicht irgendwelche Kriminelle. Wir mögen zwar mit unserer Arbeit derzeit noch gegen die herrschenden Gesetze oder das Geschwafel irgendwelcher Ethikkommissionen verstoßen, aber wir haben den Geist der Zeit auf unserer Seite. Es gibt viele Intellektuelle und Politiker in allen Ländern der Erde, die endlich Schluss machen wollen mit dem Mittelalter, mit leidigen Ethnokriegen, mit den gewaltigen Unkosten und den ökologischen Problemen, die die Bevölkerungsexplosion verursacht. Es geht nicht an, dass sich die Menschen weiter vermehren wie die Rotalgen. Nicht mal Ameisenvölker sind derart undiszipliniert. Sie vermehren sich blind. Je primitiver die Leute, umso mehr Kinder zeugen sie. Dummheit macht leider fruchtbar. Eine Entgleisung darwinistischer Prinzipien. Es ist unsere humanistische Pflicht, etwas dagegen zu tun. Das beste Verhütungsmittel, das Einzige, das wirklich hilft, ist die Einsicht, dass ein Leben in Würde nur zusammengeht mit dem Verzicht auf simple Sexualität. Ich will Menschen, die sich nicht aus dumpfem Trieb begatten, sondern die in aller Mündigkeit und asketischer Lust, jawohl, das gibt es, asketische Lust, ihre Reduplikation mithilfe der neuen Möglichkeiten organisieren. Dann wird auch eines der besonders sinnlosen Gefühle verschwinden: die Eifersucht.«
    »Deren destruktive Eigenschaften Sie an sich kennen gelernt haben, als Sie herausfanden, dass Ihre Frau ein Verhältnis mit Enrico Gonzaga hat.«
    Einen Moment schien er die Kontrolle über sich zu verlieren. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt: »Sie sollten sich jetzt entspannen, nach drüben gehen und eine Flasche aus dem dritten Regal, oberste Reihe, ganz rechts holen. Sie hat einen Ehrenplatz. Es ist ein 47er Lafleur. Ein Pomerol, von dem es höchstens drei Flaschen auf der Welt gibt. Der große Weinkenner Parker soll geweint haben, als er einmal davon kosten durfte. Ich schätze, die Flasche ist zehntausend Euro wert. Also, meine Herren, ich bin bereit, diesen Tropfen mit Ihnen zu teilen. Vertrauen Sie im Übrigen auf meinen Weg. Wir werden den Tod besiegen. Eines Tags wird es soweit sein, dass wir die Unsterblichkeit nicht mehr nur den Krebszellen überlassen. Vielleicht schon in fünfzig Jahren werden Sie unendlich viel Zeit haben, Doktor Hieronymus, um Ihre seelischen Gebrechen zu heilen.« Seine Stimme wirkte einschläfernd wie die eines Hypnotiseurs. Irgendwie hat er ja Recht, dachte ich.
    Einar packte mich am Arm: »Wir haben genug gehört, Piet. Falsini will uns nur hinhalten, bis die da oben merken, dass der Gastgeber verschwunden ist. Wir sollten uns beeilen. Da hinten ist noch ein Raum. Wenn mich nicht alles täuscht, ist da die Quelle von diesen gespenstischen Lauten, die wir vorhin gehört haben.«
    Einar war bereits dabei, die Tür zu öffnen. Ich folgte ihm. Dämmerung umgab uns, grünes Unterwasserlicht. Als sich meine Augen angepasst hatten, bemerkte ich Dinge, die ich mir nie vorzustellen gewagt hatte, obwohl ich Ähnliches bereits in Science-Fiction-Filmen gesehen hatte. Große Glasgefäße, in denen pflanzenhafte Wesen wuchsen, filigrane Körper mit großen Köpfen, riesigen Augen, deren leere Blicke mich streiften. In Käfigen sah ich stark behaarte Wesen, Affen, auf deren Rücken und Brust seltsame Wucherungen waren, die an die Glieder von Menschen erinnerten. Ich sah eine Ratte mit einer kompletten Hand auf dem Rücken. Sackähnliche Wesen schwammen in großen gläsernen Bottichen. Ein Menschenkopf ohne Augen und Nase auf einem Schweineleib. Der Garten der Lüste von Hieronymus Bosch. Einar begann Fotos mit einer Pocketkamera mit eingebautem Blitz zu machen.
    Am schlimmsten war der Anblick einer nackten Frau, die auf einem gläsernen Stuhl saß. Sie trug einen Metallhelm auf dem Kopf, von dem aus zahllose Drähte zu einem Computer führten. Auf dem angeschlossenen Bildschirm sah ich verzerrte, verschwommene Linien und Flecken, die man mit einiger Fantasie als Abbilder von Einar und mir deuten konnte. Die Augen der Frau verfolgten mich. Ihre Haut war fahl und voller kleiner schwarzer Punkte. Ab und zu stieß sie ein qualvolles Stöhnen aus, das nicht aus ihrem Mund kam, sondern aus einem Lautsprecher neben ihr. Dale. Die ungeheuerliche Tatsache, dass ich diesen Menschen kannte, dass ich ihn sogar geliebt hatte, goss mich aus wie flüssiges Blei. Ich wollte schreien, aber es ging nicht. Ich muss in diesem Moment ohnmächtig geworden sein, denn als ich wieder zu Bewusstsein kam, blendete

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