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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Bo tius
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Schreie gehört. Komm, wir gehen der Sache auf den Grund.« Er fingerte den Schlüsselbund aus Falsinis Jackentasche. Dann schloss er die Tür zur Kellertreppe ab. Es war ein kompliziertes Schloss mit Stangenverriegelung. Die zweite Tür war aus Stahl und mehrfach mit Schlössern gesichert. Wir legten abwechselnd die Ohren an die Tür. Geräusche, ein tiefes Brummen wie von einem Motor. Dann wieder, und diesmal ganz deutlich, grässliche Laute, die wie Seufzer der Qual klangen, wie unterdrückte Schreie. »Falsinis Destille. Der Eingang zu Dantes Inferno«, flüsterte Einar.
    Mein Freund probierte Falsinis verschiedene Schlüssel aus. Es dauerte nicht lange, dann ließ sich die Tür bewegen. Er zog seine Dienstwaffe und schlüpfte hindurch. Ich folgte ebenfalls mit gezogener und entsicherter Waffe.
    Wir befanden uns in einem schwach beleuchteten Raum voller Glaskolben, Kupferkessel, Glasspiralen. Die Wände auch hier nackter Fels, doch herrschte in diesem Raum peinliche Sauberkeit. Überall elektrische Kabel und Rohre. Verschiedene Messinstrumente wie Manometer, Thermometer, Hygrometer. Die Schreie und Seufzer waren jetzt deutlich lauter. Ebenso das Motorengeräusch, ein gleichmäßiges Summen, das es uns erlaubte, weniger leise zu sein. Die Geräusche kamen aus einem Raum hinter einer weiteren Tür. Sie war nur angelehnt. Auf ihr ein Messingschild mit eingravierten Buchstaben: HUBRO. Ich überließ Einar den Vortritt. Wir landeten in einer kleinen Zelle mit Wänden aus Metall, vermutlich einer Schleuse, die zur Desinfektion oder Reinigung der Luft diente. Das Motorengeräusch stammte offenbar von einem Aggregat, das die Luft durch große Filter an der Zellendecke absaugte. Dort war auch eine Fernsehkamera angebracht. An einem Haken hingen weiße Overalls aus papierdünnem Stoff. Wir streiften sie uns über und öffneten die zweite Tür der Schleuse. Der Raum, den unsere Blicke erfassten, war groß und hell erleuchtet. Überall Tische mit Geräten, Monitore, Zentrifugen, Petrischalen, Ständer voller Reagenzgläser, Sequenzierungsmaschinen, Laborroboter, Brutschränke, sterile Werkbänke. An einem der Tische saß ein Mann, über ein Mikroskop gebeugt. Er war so auf seine Arbeit konzentriert, dass er nicht aufsah, als er Geräusche hinter sich hörte. »Bist du es, Ettore? Du musst dir das ansehen! Ich glaube, wir haben es geschafft. Ein glänzender Fall von Gen-Targeting. Wir werden die Hautfarbe in Zukunft nach Belieben ändern können!«
    Einar bewegte sich trotz seines Körpergewichts wie ein Tanzbär. Der andere hatte keine Chance. Ehe er richtig versuchen konnte, sich zu wehren, hatte Einar seine Arme hinter der Rückenlehne des Bürostuhls gekreuzt und sie mit Handschellen fixiert. Dann schleuderte er den Stuhl auf seinem Drehkreuz herum und klebte dem Mann ein Pflaster über den Mund. Jetzt erkannte ich ihn, obwohl Schrecken und Wut sein Gesicht verzerrten. Es war Marcello Tusa.
    Wir fesselten auch seine Beine an den Stuhl und schoben ihn in die Mitte des Raumes. »Hol Falsini her. Und bring ein paar seiner Flaschen mit. Wir feiern eine Party«, sagte Einar.
    Ich ging in den Weinkeller zurück und band Falsini los. Obwohl er sich nicht wehrte, fasste ich ihn ziemlich grob an, wahrscheinlich um meine eigene Ängstlichkeit zu überdecken. Wir banden den Doktor auf einen zweiten Bürostuhl und schoben ihn neben Tusa. Dann nahmen wir beiden die Mundpflaster ab. Tusa hob zu einer Schimpfkanonade an, deren italienische Kraftausdrücke ich nicht verstand. Falsini bracht ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Er wandte sich an uns, kühl, und seine Worte sorgfältig setzend: »Schade, Doktor Hieronymus, wirklich schade, dass Sie und Ihr Freund sich wie Halbstarke benehmen. Ich hatte bereits gehofft, Sie für unsere Sache gewonnen zu haben. Auch Tanner war dieser Meinung. Wir brauchen Psychologen. Sie wären uns eine willkommene Hilfe gewesen. Auch finanziell hätte es sich für Sie gelohnt. Vielleicht habe ich Sie falsch eingeschätzt, weil Sie Ihrem Vater so ähnlich sind. Er war auf unserer Seite. Erst als es ihm wirklich schlecht ging, hatte er einen Rückfall in altmodische Ansichten. Die Konsequenzen hat er leider tragen müssen.«
    »Sie haben ihn umgebracht«, schrie ich. »Sie sind ein Monstrum!«
    »Lass ihn reden«, sagte Einar. »Erzählen Sie uns doch, was hier vorgeht, Dottore? Mein Freund und ich mögen sich zwar in Ihren Augen ziemlich vulgär benehmen, aber wir sind dennoch offen für alles Neue.

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