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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shari Low
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und jede Minute ihres Lebens genießen, denn …
    »Du wolltest es mir nicht sagen, oder?«
    Red setzte sich auf den Stuhl neben mir und berührte mich mit seinem Knie. Die spielerische Geste passte so gar nicht zu seiner angespannten Stimme und den Schweißperlen auf seiner Stirn. Er war offenbar gerannt.
    Ich warf einen Blick auf Josie und Ginger, die beide starr zu Boden schauten. »Wer von ihnen hat nicht dichtgehalten?«, fragte ich ihn.
    »Das kann ich dir leider nicht sagen. Sie haben geschworen, sie würden mich umbringen, wenn ich was verrate.«
    Seine Hand glitt in meine. »Ich bin nur froh, dass ich es noch rechtzeitig geschafft habe. Du musst das hier nicht ohne mich durchstehen. Ich bin kein kleines Kind, das geschützt werden muss.«
    »Ich weiß. Aber du hast dich so hartnäckig geweigert, auch nur daran zu denken, dass das Ergebnis negativ sein könnte, dass ich deine Luftblase nicht zerstören wollte. Ich verstehe dich, Red. Ich verstehe, dass du positiv denkst, und ich weiß, dass das deine Art ist, mit Problemen umzugehen, aber ich bin da anders. Ich muss alle Möglichkeiten sehen und mich auch auf das Schlimmste vorbereiten. Und das bin ich. Vorbereitet, meine ich.«
    Ich atmete ein. Und wieder aus. Ich würde hier im Wartezimmer nicht anfangen zu weinen. Ich würde mich zusammenreißen. Und wenn ich endlich da reinkonnte, würde ich schon klarkommen, ganz gleich, wie die Diagnose lautete. Krebs in den Lymphknoten war schließlich kein Todesurteil. Er ließ sich entfernen, es gab Bestrahlungen, zur Not auch Chemotherapie. Und wenn die Untersuchungsergebnisse an diesem Tag ergaben, dass der Krebs weiter gewuchert war, würde es weitere Computertomografien, Sonografien und Therapien geben, die man probieren konnte.
    Operation. Bestrahlung. Chemo. Das Schlimmste war, dass ich es Cassie sagen musste. Bisher wusste sie nur, dass ihre Mum so einen komischen Fleck am Rücken hatte, den die Ärzte wegmachen mussten. Wenn die Dinge weiter fortschritten … nun, wir würden auch da einen Weg finden. Gestern Abend, als Red schon schlief, bin ich zu ihr ins Bett gekrochen und habe sie die ganze Nacht im Arm gehalten, habe auf ihren ruhigen Atem gelauscht und einen Handel nach dem anderen mit Gott abgeschlossen. Ich war nie besonders religiös, aber irgendwie hatte ich das Bedürfnis, es zu probieren – für alle Fälle.
    Bitte, lieber Gott, lass mich gesund werden! Ich habe endlich das gefunden, wonach ich mein ganzes Leben gesucht habe, bitte, nimm es mir noch nicht weg! Ich möchte das, was ich habe, hegen und pflegen – zusehen, wie meine Tochter groß wird. Und ich würde alles dafür tun, lieber Gott, wirklich alles. Sag es, und ich werde es tun, solange es nichts Illegales ist oder mit Höhe zu tun hat. Lass mich das hier nur überstehen. Ich werde mich nie wieder über Kleinigkeiten aufregen. Ich werde das Beste aus jedem Tag machen. Ich werde alles gutmachen. Ich werde Sozialarbeit leisten, Missionarin werden, Josie von ihrer Karamellwaffelabhängigkeit heilen – alles. Lieber Gott, ich gebe dir alles, wenn du mich das hier durchstehen lässt.
    Cassies ruhige, regelmäßige Atemzüge hatten mir keine Antwort von oben gegeben.
    Aber ich wusste, dass ich genau das tun musste. Ruhe bewahren, weiteratmen. Einfach weiteratmen.
    »Mrs. Jones?«
    Die nette Schwester war wieder da, ihre Stimme klang entschuldigend.
    »Es tut mir wirklich leid, dass wir Sie so lange haben warten lassen. Wenn Sie jetzt bitte mit durchkommen möchten. Dr. Callaghan erwartet Sie.«
    Red stand auf und warf einen kurzen Blick auf Ginger und Josie.
    »Wir warten hier«, sagte Josie leise. »Ruft uns einfach, wenn ihr uns braucht.«
    Die Schwester führte uns in einen winzigen Raum. In einer Ecke standen ein Schreibtisch und ein Computer, an der hinteren Wand befand sich eine Untersuchungsliege. Dr. Callaghan saß auf einem grauen Stuhl und studierte eine Akte, die vor ihm lag. Oh verdammt! Waren das die Ergebnisse? Warum schaute er mich nicht an? Mein Herz hämmerte wie wild.
    Nach einigen Sekunden, die mir wie eine Woche vorkamen, nahm er uns endlich zur Kenntnis. Er streckte die Hand aus, um uns zu begrüßen. Ich hatte alles über ihn im Internet nachgelesen, und ich wusste, er war eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Er war schätzungsweise Mitte vierzig, hatte dunkles, welliges Haar und trug eine kleine, runde Brille. Ein bisschen erinnerte er mich an diesen Typen aus Grey’s Anatomy , er schien dessen nicht ganz so

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