Roman
an Cassie gern weitergeben würde. Ich würde ihr erzählen, wie man Freundschaften erhält und wie es ist, sich zu verlieben und über ein gebrochenes Herz hinwegzukommen. Ich würde ihr erzählen, wie es war, als ich das erste Mal wegen eines Jungen geweint hatte, und wie ich das letzte Mal jemanden enttäuscht hatte. Ich würde ihr vom Tag ihrer Geburt erzählen und was es mir bedeutet, ihre Mum zu sein. Und wenn mich die letzten Jahre etwas gelehrt hatten, dann, dass ich es genau jetzt tun sollte, weil … wer weiß, was die Zukunft bringen wird.
Klar, wenn Cassie mir auch nur ein kleines bisschen ähneln wird, wird sie meine Ratschläge ignorieren und ihr Leben auf ihre Weise in die Hand nehmen. Nicht, dass ich das falsch fände … Wenn ich so zurückblicke: Ich hätte nichts anders gemacht. Ich hätte trotzdem alles mitgenommen. Ich hätte trotzdem alles wieder genau so gemacht, inklusive aller Fehler – bis auf den allergrößten …
Plötzlich realisierte ich, dass Janice immer noch auf eine Antwort wartete.
»Weiß nicht. Ich schätze, ich hätte einiges gern gewusst, und ich würde ihr all das gern erzählen, damit sie daraus lernen kann und nicht dieselben Fehler macht wie ich. Nicht nur die mit den Sonnenbänken, sondern auch die anderen im Leben. Du weißt schon, Beziehung, Job, Jungs – all das.«
Bei dem Wort »Jungs« war Janice ganz rot geworden. Vor einigen Wochen hatten wir eine Sponsorengala veranstaltet, um Spenden zu sammeln, und ich hatte Ginger gebeten, STUD zu einem Auftritt zu überreden. Irgendwie war einer von ihnen, Les, mit Janice ins Gespräch gekommen, und der Blitz hatte bei den beiden eingeschlagen. Seither waren sie unzertrennlich. Der Typ, der auf jedem Kontinent von Groupies belagert wurde, hatte sich offenbar ernsthaft in ein stilles, unauffälliges, unaffektiertes, unglamouröses junges Mädchen aus Glasgow verliebt. Wie sensationell war das denn?
Ich empfand fast eine Art mütterlichen Stolz für sie und freute mich, dass ihr so etwas Schönes passiert war. Ginger hatte mir versichert, Les sei ein Supertyp – ehrlich, geradeaus, keiner, der in jeder Stadt eine Freundin sitzen hätte. Natürlich half, dass er einen knackigen Hintern hatte und einen Body, der aussah wie von Gott geschnitzt.
Wie aufs Stichwort meldete sich Janice’ Handy, und sie wurde wieder rot, als sie die SMS las. An das Gefühl konnte ich mich noch gut erinnern. An den Moment, als ich wusste, dass ich mich in Red verliebt hatte. Ich konnte tun, sagen oder kaufen, was ich wollte, es kümmerte ihn nicht, denn er konnte an nichts anderes denken als daran, wann wir das nächste Mal Sex haben würden. Erfreulicherweise hatte sich daran nicht viel geändert …
Aber zurück zur Sache. Von den sexuellen Aktivitäten einmal abgesehen, wäre es vielleicht eine gute Idee, alles aufzuschreiben, solange ich mich noch daran so genau erinnern konnte. Es wäre etwas, das Cassie lesen könnte, wenn sie älter wäre. Und wenn jemand hier im Begegnungszentrum wissen wollte, was seit dem Tag, an dem dieses Muttermal an meinem Rücken geblutet hatte, geschehen war, dann konnte er es auch lesen.
Vielleicht sollte ich genau das tun – alles aufschreiben.
»Lou.« Janice sah von ihrem Handy auf und lächelte mich an. »Les möchte, dass ich ihn heute Abend nach seinem Auftritt in Amsterdam treffe. Er hat mir für den Nachmittag einen Flug gebucht und das Ticket am Flughafen hinterlegen lassen. Das ist doch verrückt, oder? Amsterdam? Für einen Abend? Das ist doch völlig irre.«
»Das ist absolut irre«, stimmte ich ihr zu und nahm sie in den Arm. »Und weißt du was? Du lässt jetzt alles stehen und liegen und setzt dich. Dann kann ich dir schnell die Haare und die Nägel machen, und du machst dich auf den Weg zum Flughafen.«
Lektion 151
Glaub nie, du wüsstest schon alles, denn es gibt immer noch was dazuzulernen
Es hatte Ewigkeiten gedauert, bis ich den Schlüssel zum Haus meiner Eltern gefunden hatte, aber am Ende hatte ich ihn in der Küchenschublade zwischen alten Briefmarken, Büroklammern, Gebrauchsanweisungen, Tesafilm, Scheren und meinem alten Kinderpass entdeckt.
Ich schloss die Haustür auf, und das Erste, was mir auffiel, war die Stille. Dann registrierte ich die perfekte Ordnung. Die Kissen waren in ihrem vorgesehenen Winkel auf dem Sofa aufgereiht, jede Falte in der Gardine glattgezogen. Es musste anstrengend sein, ständig dieses Maß an Perfektion zu halten.
Ich lief die Treppe hinauf, und in
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