Roman
zu begreifen. Oh nein! Oh nein! Was tat ich da? Warum sagte ich so etwas? Warum nur?
Weil ich wissen musste, dass Red und Cassie versorgt sein würden. Weil ich alles vorbereitet haben wollte, falls es zum Schlimmsten kam. Es war meine Art, mit der Sache zurechtzukommen. Alles durchdenken. Alle Optionen analysieren. Alle Möglichkeiten durchspielen. Lösungen suchen. So ging ich mit Problemen um. Aber ich hatte kein Recht, Red zu zwingen, sich ihnen zu stellen, bevor er bereit dazu war. Es waren meine Ängste, meine Sorgen, und ich übertrug sie auf ihn, zwang ihn, sich damit zu beschäftigen, dass er vielleicht seine Frau verlor und dass seine geliebte Familie zerstört würde. Welches Recht hatte ich, ihm das anzutun?
Im selben Augenblick streckten wir die Arme nacheinander aus und klammerten uns aneinander, schweigend, bis wir uns wieder etwas beruhigt hatten. Dann küsste er mich mit so viel Zärtlichkeit, dass mein Herz fast zersprang.
»Ich liebe dich, Lou. Und du wirst nirgends hingehen, also fang bitte nie wieder davon an, okay?«
Ich verstand genau, was er meinte. Und eines war klar: Ganz gleich, was ich mir wünschte und welche Lösungen ich bereithalten wollte, ich musste mich allein darum kümmern.
Lizzy, die potenzielle künftige Frau meines Mannes, wusste sofort, was ich wollte, als ich am nächsten Morgen bei ihr vor der Tür stand. Aber sie tat, als glaubte sie, ich wollte nur einen Kaffee mit ihr trinken.
Ich wartete den richtigen Moment ab, zwischen dem Anbringen der Milchpumpe an einer ihrer Brüste (sie hatte angeboten, Milch für Caleb bereitzustellen, solange es seine Väter wünschten) und einem Schluck aus ihrer Teetasse, und vermied so eine heftige Reaktion aus der Red-Jones-Schule für den Umgang mit Krankheiten.
»Lizzy, wenn meine Ergebnisse nicht gut sind …«
Sie schluckte. »Sie sind gut.«
»Aber wenn nicht, dann …«
»Dann kümmere ich mich um Cassie wie um meine eigene Tochter und sorge dafür, dass sie zu einer gesunden, starken, selbstbewussten Frau heranwächst. Wag ja nicht, mir diese Frage noch einmal zu stellen, denn das wird nicht passieren.«
Sie begann mit dem Abpumpen, und das Gespräch war beendet. Kein guter Zeitpunkt also, um sie auch noch zu fragen, ob sie sich vorstellen könnte, meinen Mann zu heiraten. Ich nahm eine Zeitschrift zur Hand und begann darin zu blättern. Dabei tat ich so, als sähe ich die Träne nicht, die über ihr Gesicht rollte und in ihre Teetasse tropfte.
Lektion 144
Unterschätze nie die medizinische Wirkung von tiefgründigen Gesprächen und Kohlehydraten
Josie saß am Küchentisch, als ich zur Hintertür hereinkam.
»Ich dachte mir schon, dass du es bist«, sagte sie und lächelte.
»Woher?«
Ein siebter Sinn? Ein Gefühl für die Nähe geliebter Menschen? Eine erhöhte Sensibilität für die Vibrationen der Erdkruste, die es ihr ermöglichte, jegliche Form der Bewegung wahrzunehmen?
»Weil du wie ein Elefant den Gartenweg entlanggetrampelt bist.«
Ich musste lachen. »Mach mich nur fertig, Tante Josie!«
Sie lachte ebenfalls, aber ich ließ mich nicht täuschen. Ihr Mund sagte, dass sie sich amüsierte, aber ihre Augen beobachteten mich ganz genau. Es war eine Fähigkeit, die noch aus der Zeit vor ihrem Eintritt in das Reich der Ninjas stammte.
»Du hast nicht gut geschlafen, oder?«, fragte sie leise. »Was ist los?«
Ich seufzte. »Ich habe gerade eine kleine Nervenkrise.«
Ich nahm mir eine Tasse vom Abtropfsieb auf der Spüle, setzte mich und goss mir eine Tasse Tee ein. Bei Josie stand immer eine Kanne Tee bereit.
»Ich weiß auch nicht, aber irgendwie habe ich das Gefühl, als müsste ich für den Ernstfall planen, dafür sorgen, dass alles geregelt ist. Irgendwie würde es mir helfen, mit dem, was auf mich zukommen könnte, besser umzugehen.«
»Du meinst Cassie?«
Ich nickte. »Und Red. Ich habe ihn gestern Abend gefragt, ob er mir verspricht, Lizzy zu heiraten, wenn mir was passiert.«
»Du lieber Himmel!« Es kam aus dem tiefsten Herzen meines Gurus. »Die Ärmste! Die Liebe ihres Lebens ist plötzlich schwul, er zieht mit seinem neuen Lover ins Nachbarhaus, sie haben gerade ein Baby bekommen, sie ist seit ewigen Zeiten Single, und jetzt soll sie auch noch den Mann ihrer verstorbenen besten Freundin heiraten. Weiß sie, welche Zukunft ihr bevorsteht?«
Nur Josie durfte sich in so einer Situation über mich lustig machen.
»Nein.«
»Dann sag es ihr lieber nicht! Gönn der armen Seele wenigstens ein
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