Roman
mit!« Er beeilt sich, seine Krawatte zu richten und sich in Position zu bringen.
Ich nicke und bin eher amüsiert als verwirrt. Ich arbeite schließlich für einen Vampir-Radiosender. Was sollte mich da noch überraschen?
»Bernita!« Franklin rauscht auf die Frau zu, die soeben aus dem Hinterzimmer in den Verkaufsraum tritt. »Meine Lieblingsfrau, wir haben uns ja seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen!« Er schenkt ihr eine überschwängliche Umarmung, heftiges Rückentätscheln inklusive.
Sie strahlt ihn an und kneift ihm dann wie eine alte Tante in die Wange. »Frankie, wie geht es dir?«
»Mir geht’s fa-bel-haft, danke der Nachfrage.« Seine Stimme ist eine Oktave höher als alles, was ich sonst von ihm gehört habe. Ich kann gerade noch verhindern, dass mir die Kinnlade herunterfällt. »Und du …«, er hält Bernita um Armeslänge von sich, »… du Schmuckstück, siehst einfach fan-tas-tisch aus! Hast du abgenommen?«
Bernita schwillt stolz die Brust bei dieser Bemerkung und tätschelt ihren ansehnlichen Bauch. »Zweihundert Pfund in dem Augenblick, in dem ich geschieden wurde!«
»Hach, du bist un-mög-lich !« Franklin drückt Bernita den Arm und stampft dramatisch mit dem Fuß auf. Sein überbordend heiteres Benehmen lässt ihn selbst fünfzig Pfund leichter erscheinen. Mit einem Mal wirkt sein Anzug, als wäre er ihm auf den Leib geschneidert, und hängt nicht mehr an ihm herunter wie nasse Wäsche an einem Handtuchhalter.
»Oh … und sieh sich einer unseren kleinen Reginald an!« Franklin beugt sich über den Hund, um ihn ausgiebig zu hätscheln. »Ganz ehrlich: Ich könnte ihn augenblicklich mit Haut und Haaren verschlingen, so süß ist der!«
Ich gehe davon aus, dass ein winziger Teil von Franklin beim letzten Satz einfach aufgehört hat zu existieren, genau in dem Moment nämlich, in dem er das süß mit einem leichten Lispeln über die Lippen brachte.
Bernita macht eine ausladende Armbewegung in Richtung ihrer Ware. »Werden Kerzen gebraucht? Ein paar hätte ich noch.« Sie lächelt, doch aus ihren Augen spricht reiner Geschäftssinn. Sie dazu zu bringen, uns noch mehr Geld zu geben, dürfte nicht einfach werden.
Franklin grinst mich an. »Ciara braucht ein paar für ihr Schlafzimmer.«
»Ahhh …« Die fast kugelförmige Frau rollt auf mich zu. »Rechnet die junge Dame denn mit einem netten Abend in Gesellschaft eines ganz besonderen jungen Mannes?«
Ich werfe meinem Boss ein mit Arsen getränktes Lächeln zu, bevor ich mich an Bernita wende. »Haben Sie was mit Knoblauchduft?«
Sie strahlt mich an. »Ich habe Kerzen, die nach Pizza duften! Kosten nur elf neunundneunzig.«
Ich folge ihr zu der Auslage, die Kerzen zum Thema Essen darbietet. Ich hoffe inständig, WMMP gesteht mir ein Spesenkonto zu. Bernita reicht mir voller Stolz ein Glas, in dem sich eine Kerze mit roten, weißen und grünen Wachslagen befindet.
»Oh nein, das geht doch nicht!«, quietsche ich entzückt. »Die ist ja viel zu hübsch, um sie anzuzünden!«
Die Ladeninhaberin schüttelt ihren mahagonifarbenen Haarturm. »Deshalb brauchen Sie ja auch zwei, Kindchen: eine zum Anzünden und eine zum Anschauen.«
»Fa-bel-haft!«, sagt Frank. »Ciara nimmt drei, dann muss sie nicht gleich wieder hierher und Ersatz kaufen.«
Na großartig. Anstatt Essen zu kaufen, kaufe ich Dinge, die wie Essen riechen. Vielleicht lässt sich meine Bauchspeicheldrüse linken und merkt den Unterschied nicht.
»Ich sehe mal im Lager nach.« Bernita rauscht in Richtung Vorhang davon. »Ich glaube, wir haben noch eine Kerze im Glas mit dem Duft von Salami.«
Sobald sie verschwunden ist, drehe ich mich zu Franklin um und starre ihn an.
»Was?«, fragt er.
Ich mache eine Bewegung mit dem Kinn in seine Richtung. »Dr. Jekyll, bitte sofort in die Notaufnahme!«
»Oh, ach das!« Seine Stimme kehrt wieder in die normale Tonlage zurück. »Ein guter Verkäufer erfüllt Erwartungen. Das hier ist eine kleine Stadt, in der die Leute ausschließlich stereotype Vorstellungen von Homosexuellen haben. Wenn ich es also mal hier, mal dort ein wenig tuckiger angehe …«
»Ein wenig?!«
»… und mich wie diese Arschlöcher im Fernsehen benehme, reagieren die Leute eher entzückt als ablehnend. Ich sorge dann nämlich dafür, dass sie sich für aufgeklärt und aufgeschlossen halten, weil sie mit einem Schwulen bekannt sind. Leute, die sich wohl fühlen, geben schneller und leichter Geld aus.« Franklin hebt in einer resignierten Geste die
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