Roman
Lebenszeit und deshalb auch für die Musik, die diese Zeit hervorgebracht hat. Ihr wisst das. Ich weiß das.« Ich mache eine ausladende Geste zur Wand des Raumes hin. »Aber die Welt da draußen weiß es nicht. Und selbst wenn wir den Menschen sagen würden ›He, ihr da draußen, wir haben hier die absoluten Experten, und das jeden Abend und jede Nacht!‹, wär’s ihnen egal. Außer wir machen die Geschichte interessanter und nennen ihnen den Grund dafür.« Theatralische Pause einschieben – so lautet die Anmerkung, die ich mir für diesen Zeitpunkt im Geiste notiert habe. Also warte ich schweigend auf Reaktionen.
Die DJ s tauschen Blicke. Dann endlich beißt Noah an. »Den Grund für was?«
»Warum jeder von euch ein solcher Experte ist.« Ich nicke David zu, der daraufhin das Deckenlicht ausschaltet. Meine erste Folie liegt sorgsam zurechtgerückt auf dem Overhead-Projektor. Ich stelle das Gerät an.
WVMP – Herzblut Des Rock ’n’ Roll.
Gleich über dem Slogan prangt das neue Logo: eine E-Gitarre mit zwei Vampir-Bissmalen, aus denen Blutstropfen austreten und am Gitarrenkörper hinablaufen.
Die Vampire begutachten das an die Wand geworfene Bild kommentarlos. Ihre Blicke verraten wachsame Neugier.
»Ey, Mann, sag bloß, das sollen wir sein!«, reagiert Jim schließlich.
Ich halte den Blicken der DJ s stand; dabei zeige ich mich nach außen selbstsicherer, als ich mich tatsächlich fühle. »Genau das. Wir wollen der ganzen Welt sagen, dass ihr Vampire seid. Wir wollen so klarmachen, warum ihr die Ära aus eurer Sendung so gut kennt – weil ihr nicht nur in dieser Zeit geboren wurdet und aufgewachsen seid, sondern auch weiterhin in ihr lebt und für immer mit ihr verbunden bleibt. Wir haben vor, der ganzen Welt die Wahrheit zu sagen.«
Um mögliche Einwände von Seiten der DJ s abzuwürgen, fahre ich schnell fort. »Ihr verbringt euer ganzes Leben – eure ganze untote Existenz – damit, zu versuchen, euch unter die normalen Leute zu mischen und an deren Leben teilzuhaben. Aber nur zur Halloween-Parade gelingt euch das. Ihr zieht euch anders an als die Normalos, ja, ihr sprecht sogar anders als die, und ihr habt die Gesichter von Göttern, die eben erst zu uns Sterblichen vom Olymp herabgestiegen sind. Versteckt euer Anderssein nicht länger, das ist es, was ich sagen will – im Gegenteil, macht eine Show daraus!«
»Mal halblang, Baby«, unterbricht mich Spencer im typischen gedehnten Tonfall. »Du meinst, wir sollen auf Sendung gehen und allen verkünden, dass wir Vampire sind? Das ist doch Unsinn!«
»Wir wollen es nicht nur senden. Wir wollen es bei Live-Events allen vorführen! Es in die Öffentlichkeit tragen, in den normalen Alltag. Zeigt euch der Welt in eurer ganzen Herrlichkeit! Die Leute werden nicht glauben, dass ihr Vampire seid. Sie werden es nicht glauben, weil die Vorstellung einfach verrückt ist! Aber sie werden glauben, dass ihr alle hier etwas Besonderes seid. Sie werden glauben, dass ihr etwas besitzt, was sie selbst gern hätten.«
Nach einer kurzen Pause, um meine Worte erst einmal sacken zu lassen, lege ich die nächste Folie auf. »Ich möchte euch jetzt erklären, wie wir die Leute zu fassen bekommen.«
Ich stelle meine Marketingstrategie vor, von den Live-Auftritten bis hin zu Interviews in allen Medien und zu Podcasts (Letzteres verlangt nach einer langen, geduldigen Erklärung und einer gewissen Einsatzdichte von Bemerkungen wie: »Vertraut mir hier einfach!«). Am Schluss – ich bin schon ganz außer Atem – lege ich wieder die erste Folie auf: die mit dem Logo.
»Wenn diese Kampagne funktioniert«, erinnere ich die DJ s, »gehen die Einschaltquoten in die Höhe und damit die Umsätze. Dann wird der Sender auch nicht an Skywave verkauft, und ihr alle behaltet eure Jobs. Also: Wie klingt das?«
Sie starren mich einige Augenblicke lang an. Dann blicken alle, bis auf Shane, zu Regina und warten darauf, dass sie als Erste ihre Meinung sagt. Regina räuspert sich.
»Wir wären dann also so etwas wie Rockstars?«
»Ganz genau wie Rockstars«, erwidere ich und gebe ihrem Ego damit genug Nahrung.
»Aber warum sollten die Leute uns sehen wollen?«, fragt Jim.
»Habt ihr in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut? Äh, Moment … Ihr könnt euch doch im Spiegel sehen, oder?«
»Klar können wir’s.« Noah streicht sich über sein braunes Kinn. »Wie sonst könnten wir so gut ausseh’n?«
Regina schnaubt. »Genau. Warum sollten wir nicht in einem Spiegel zu
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