Roman
Hände. »Ich habe der Wahrheit schon früh ins Gesicht geblickt: Wenn ich mich so gebe, wie ich bin, verkaufe ich nicht einmal einen Eimer Wasser an einen Mann, der in Flammen steht.«
Noch während ich mich staunend von der unverhofften Entdeckung einer verwandten Seele erhole, kommt Bernita zurück und setzt geräuschvoll zwei weitere Pizzakerzen auf die Theke neben die Kasse.
»Keine Salami, aber Würstchen tun es bestimmt auch, oder?« Ohne auf meine Antwort zu warten, tippt sie die Preise bereits ein.
Franklin stützt sich auf die Theke. »Ach Bernita, mein Goldstück, du weißt doch sicher, was dir ein Umsatzplus bescheren würde, nicht wahr?« Er klimpert mit seinen langen blonden Wimpern. »Genau: Werbung.«
Bernitas bisherige Hochstimmung verfliegt, als sie so plötzlich von der Rolle des Verkäufers in die des Käufers wechselt. »Die Zeiten sind hart. Irgendwo muss ich Einsparungen vornehmen.«
Ich nehme die Schutzkappe vom Glas der Pizzakerze und inhaliere das grässliche, künstliche Knoblaucharoma.
Franklin lässt nicht locker, sein Ton süß wie reinster Honig. »Aber Bernita, meine Beste, gerade wenn die Zeiten hart sind, muss man mehr denn je im Gespräch bleiben!« Er bekommt es tatsächlich fertig, dass seine Augen funkeln. »Wenn noch mehr Menschen dein fantastisches Reich hier kennenlernen, wirst du mit Sicherheit in einem Meer aus Käufern baden.«
Bernita läuft rot an. Dann richtet sie sich kerzengerade auf, ganz so, als sei ihr gerade eben erst eingefallen, dass sie ein Rückgrat hat. »Ich muss mir erst einen Überblick über mein Budget verschaffen. Ich denke darüber nach und rufe dich an.«
Ich packe die Kerze wieder in ihre Folie. Mit Sicherheit wird dieser Duft Shane davon abhalten, mir zu nahe zu kommen – zusammen mit dem Rest der Welt.
Moment mal …
»Bedenkzeit ist in diesem Fall leider nicht drin«, platzt es aus mir heraus.
Beide drehen mir die Gesichter zu, die Mienen Fragezeichen.
»Wir werden«, erkläre ich rasch, »nämlich in Kürze unsere Preise für Werbespots pro Minute anheben. Momentan ist also der perfekte Zeitpunkt, um sich Werbezeit zu den alten Preisen zu sichern.«
»Warum gehen denn die Preise hoch?«, fragt Bernita Franklin.
»Ciara, würden Sie Bernita freundlicherweise das Warum erklären?«, entgegnet er spitz.
»Ich wünschte, ich dürfte, aber wir sind ja zur Geheimhaltung verpflichtet.« Ich lehne mich über die Theke, der rundlichen Ladenbesitzerin entgegen, und schenke ihr meinen besten verschwörerischen Flüsterton. »Wir starten eine neue Marketing-Kampagne, die die ganze Gegend aus den Stiefeln hauen wird. Jeder wird uns hören wollen!«
Bernita blickt zu Franklin hinüber, der lächelt und in einer oscarreifen Vorstellung beipflichtend nickt. Die Herrscherin über das Duftwachskabinett scheint nicht überzeugt zu sein.
»Verzeihen Sie bitte meine Unwissenheit«, sagt sie, »aber wie kann eine Marketing-Kampagne allein einen derart großen Unterschied machen?«
»Wir stehen kurz davor, Fakten über das wahre Wesen von WMMP an die Öffentlichkeit zu bringen.«
Ihre Augen weiten sich. »Und das wäre?«
Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Aber, aber: Wenn ich Ihnen das zu diesem Zeitpunkt verraten würde, wäre das Überraschungsmoment ja dahin! Ich kann nur so viel sagen: Wir werden der Welt vorführen, wie einzigartig unser Sender tatsächlich ist!« Zumindest hoffe ich, dass er, was das angeht, wirklich einzigartig ist.
Bernita trommelt mit den Fingernägeln auf die Ladentheke, während sie nachdenkt. Die Pünktchen, die auf den lackierten Nägeln prangen, verschwimmen vor meinen Augen. Endlich lässt Bernita die Südstaaten-Attitüde und die Maske aufgesetzt anheimelnder Herzlichkeit fallen. »Ich rate dir gut, mir keinen vom Pferd zu erzählen, Kleine!«
»Ich kann dir versichern, dass sie weit davon entfernt ist, das zu tun.« Mit dem Gespür eines Zauberkünstlers lässt Franklin seine Brieftasche aufklappen und holt einen Flyer mit den derzeitigen Minutenpreisen hervor. »Wir haben Ciara engagiert, weil sie die Beste auf ihrem Gebiet ist.«
Bernita schaltet den Taschenrechner neben der Kasse an und tippt Zahlen mit dem Radiergummikopf eines Bleistiftes ein. »Das Budget dürfte hergeben, dass ich meine üblichen fünf Dreißig-Sekunden-Spots pro Woche für die nächsten vier Wochen buche. Für wann ist denn die Preiserhöhung gedacht, und um wie viel werden die Minutenpreise steigen?«
Franklin räuspert sich. »Tja,
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