Roman
mich erleichtern könntest. Du bist mit mir zusammen, weil du mich magst.«
»Ja, genau. Und ich mag dich wirklich sehr. Deshalb möchte ich dir auch auf gar keinen Fall wehtun.«
»Wie kommst du darauf, dass du das könntest?«
»Ich habe meinen Eltern das Herz gebrochen; ich habe –«, der Name kommt mir nicht über die Lippen, »– diesen Typen betrogen. Und irgendwann lasse ich dich auch im Stich. Denn es wird passieren, ich weiß nicht, wie oder wann. Aber es liegt mir im Blut.«
»Schon wieder Schwachsinn! Du sagst das doch bloß, damit wir keine Beziehung eingehen.«
»Was hätte ich denn davon?« Gegen besseres Wissen greife ich nach seiner Hand. »Ich will mit dir zusammen sein, mehr als ich das je zuvor gewollt habe. Wenn ich mit dir zusammen bin, fühle ich mich wie … ein nettes, anständiges Mädchen.«
Shane runzelt die Stirn. »Anständig. Nett. Nicht gerade das, was ein Kerl bei einer Frau bewirken will.«
»Und unanständig fühle ich mich auch.« Wieder ignoriere ich die Stimme der Vernunft in mir, beuge mich vor und küsse Shane lang und leidenschaftlich. Er zieht mich an sich, soweit die störende Handbremse es zulässt.
In Augenblicken wie diesen scheint alles ganz einfach. Nichts scheint von Bedeutung zu sein – außer heißer Leidenschaft und der Vollkommenheit eines Kusses, dieses Kusses. Aber Augenblicke wie dieser halten nicht länger an als ein Popsong und besitzen etwa genauso viel Wahrhaftigkeit.
Gar keine.
Ich liege im Bett und höre das Ende von Reginas Sendung Drastic Plastic . Ich bin hundemüde. Aber ich möchte unbedingt wach bleiben, bis Shanes Intro gelaufen ist.
Der Song von Siouxsie and the Banshees verklingt. Stattdessen dringt jetzt Reginas Stimme aus dem Lautsprecher. »Vierundneunzig Komma drei WVMP , das Herzblut des Rock ’n’ Roll. Es ist zwei Uhr neunundfünfzig in einer ganz besonderen Nacht für euch Vamps und Vamp-Fans da draußen. Einer von uns hat sich endlich entschlossen, aus dem Sarg zu hüpfen.«
»Danke, Regina, damit ist die Überraschung ja wohl geplatzt«, meint Shane.
»Was denn für eine Überraschung? Als ob WVMP jemanden mit normaler Körpertemperatur eine eigene Sendung moderieren lassen würde.«
Shanes warmes Lachen bringt mich dazu, mich um das zusätzliche Kissen in meinem Bett zusammenzurollen.
»Was hat dich dazu gebracht, deine Meinung zu ändern, Shane?«
»Zwei Blondinen.«
»Zwei auf einmal? Du Tier.«
»Es ist nicht so, wie du denkst. Die eine steht für die Vergangenheit, die andere für die Zukunft.«
»Wow, ganz schön mystisch, was du da von dir gibst. Du hast doch wohl nicht wieder mit Jim einen Trip eingeschmissen, oder?«
»Ich habe meine Drinks in Jims Gegenwart immer gut im Auge behalten, seit dem letzten Mal.«
»Seit den letzten acht Mal, meinst du wohl.«
»Egal, wo war ich stehengeblieben?«
»Bei den Blondinen«, sagt Regina mit übertriebenem Abscheu in der Stimme.
»Genau. Ich habe über die Zukunft nachgedacht, zum ersten Mal seit jener Nacht – du weißt schon …«
»Seit ich aus dir eine derart herrliche Bestie gemacht habe …«
»Hört, hört«, sagt er mit spöttischem Unterton. »Aber wie auch immer. Ich habe mit einem Mal begriffen, dass ich nach vorne schauen und die Vergangenheit überwinden muss. Es ist an der Zeit, wieder ein paar Risiken einzugehen, und ein Risiko ist, vor der ganzen Welt zuzugeben, dass ich … äh …«
»Sprich’s mir einfach nach: Dass ich …«
»… dass ich ein Vampir bin.«
»Du hast es über die Lippen gebracht!« Regina applaudiert leise. »Echt abgefahren, ein Wunder!«
»Das heißt, ich werde wie ihr anderen auch den einen oder anderen Gig haben.«
»Die Bräute werden auf ihren Stühlen zerfließen, wenn du deine Gitarre rausholst.«
»Und dann gibt es Neuerungen, die es zu verkünden gilt: Von heute Nacht an ändere ich mein Format, zumindest was die erste Stunde meiner Sendung angeht.«
Regina zögert. »Was änderst du denn?«
»Ich werde auch neue Musik auflegen.«
Ich sitze kerzengerade im Bett und starre das Radio an. Regina ist nicht minder geschockt. Denn sie lässt zu, dass vier oder fünf Sekunden lang nichts als Rauschen zu hören ist. Der Sender ist quasi tot, bis sie schließlich reagiert.
»Warum?«
»Es gibt da draußen jede Menge guter Bands, die in der heutigen Radiowüste nicht genug Sendezeit bekommen. Manche dieser Bands besitzen tatsächlich den Geist der Neunziger. Außerdem gibt es einige Gruppen, die zu meinen
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