Roman
zurückfahren, damit ich meine Dosis Kaffee etwas eher runterstürzen kann. Shane schaltet die Gänge, als hätte er nie etwas anderes getan; nie zieht er die Maschine zu hoch oder würgt sie ab.
»Wenn wir das Ganze hinter uns haben«, sagt er, als wir den Parkplatz des Senders erreichen, »möchte ich dich groß ausführen. Wie bei einem richtigen Date.«
»Ich glaube, ich habe mal Leute von so was reden gehört.«
Wir steigen aus dem Auto. »Vielleicht gehen wir auch mal ins Kino«, fährt Shane fort. »Ich habe gehört, es gäbe eine Fortsetzung von Wayne’s World .«
Ich lache. Es interessiert mich in diesem Augenblick nicht, ob das als Scherz gemeint war oder nicht. »Warte mal, du hast deinen Kaffee vergessen.« Ich beuge mich ins Auto hinein, um nach dem Kaffeebecher zu greifen.
Als ich mich wieder aufrichte und umdrehe, ist Shane plötzlich über mir, die Fangzähne entblößt. Mit der Hand hält er mir den Mund zu, würgt den Schrei ab, der sich gerade meiner Kehle entringen möchte.
Kälte kriecht über meine Haut und lässt mich zittern. O Gott, es war die ganze Zeit über Shane, ihn habe ich gespürt!
Vor Angst zerdrücke ich die Kaffeebecher in meinen Händen, und heißer Kaffee läuft mir übers TShirt.
Erst da begreife ich, dass er über meinen Kopf hinweg hinüber zum Waldrand starrt. Wie bei einem Tier sind seine Nüstern gebläht, sein Unterkiefer bebt. »Da draußen ist jemand«, wispert er mir zu und nimmt die Hand von meinem Mund.
»Das ist die Präsenz, die ich schon ein paarmal gespürt habe.«
Plötzlich zuckt Shanes Kopf nach rechts, um das Gelände hinter sich abzusuchen. Im selben Augenblick blitzt ein grelles weißes Licht am anderen Ende des Parkplatzes auf, gefolgt von einem sehr menschlich klingenden Fluch.
Ein alles andere als menschliches Knurren kommt aus der Tiefe von Shanes Kehle. Schritte sind zu hören, die sich schnell in Richtung Rückseite des Senders bewegen. Shane nimmt lautlos und rasend schnell die Verfolgung auf.
Ich hechte hinterher. Als ich näher komme, höre ich gedämpfte Geräusche eines Kampfes, der in einem metallischen Klong! gipfelt. Dann ruft Shane: »Hab ihn!«
Auf Zehenspitzen schleiche ich um die Gebäudeecke und sehe Shane, der neben den Müllcontainern kauert und eine lederne Brieftasche durchwühlt. Ein dunkelhaariger junger Mann mit Schnurrbart liegt zusammengekrümmt und regungslos auf dem Kies.
Ich trete einen Schritt zurück. »Du hast ihn umgebracht!«
Shane hebt den Blick, sieht mich an. »Nein, habe ich selbstverständlich nicht. Er hat sich selbst den Kopf gestoßen. Wenn er wieder zu sich kommt, möchte ich mehr über ihn wissen, als er über uns weiß.« Shane reicht mir die Digitalkamera des Mannes. »Sieh dir an, was für Fotos er geschossen hat. Ich kriege das Ding nicht zum Laufen.«
Ich wähle das zuletzt geschossene Bild an. Ein kurzer Blick reicht völlig. Ich lasse die Kamera sinken. Er muss das Bild geschossen haben, kurz bevor Shane ihn zu fassen bekam. Denn da ist er, mein Freund, eingefroren in seiner ganzen, Fangzahn bewehrten Glorie, wie er rasend vor Wut in Richtung Linse greift.
»Von dir kann man ja verstörende Schnappschüsse machen.« Ich lösche das Bild. Die folgenden Fotos sind Aufnahmen vom Sendergelände, der Zeiteinblendung nach heute etwas früher am Abend geschossen. »Wer ist der Typ?«
»Seinem Führerschein nach heißt er Travis Tucker.«
Shane steckt die Fahrerlaubnis zurück in die Brieftasche und geht die anderen Karten durch. »Er hat eine Kundenkarte von Triple A, von der Restaurantkette Olive Garden und ist im Fan-Club von … wer zum Teufel ist Jeff Gordon?«
»Große Nummer bei den Stockcar-Rennen. Dieser Tucker-Typ observiert den Sender schon seit Wochen.« Ich klicke mich durch die älteren Fotos. »He, da ist ein gelungenes Foto von mir in meinem Auto. Das könnt ich glatt behalten, wenn ich beim Anschauen nicht Gänsehaut bekäme.«
»Ich glaube, ich weiß, warum er uns observiert.« Shane hält mir einen Ausweis hin, der sehr amtlich wirkt. »Weil es sein Job ist.«
Der Ausweis trägt die farbenprächtigen Insignien des Staates Maryland, gleich rechts über dem Schriftzug Privatdetektiv.
»So ein Hurensohn.« Kritisch prüfe ich den feinen Druck. »Wahrscheinlich alles andere als sauber. Seine Lizenz ist schon vor Jahren abgelaufen.« Ich knie mich neben Travis Tucker – sofern das überhaupt sein richtiger Name ist – und durchsuche systematisch seine Jackentaschen. Alles,
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