Außerdem wirst du es nicht glauben, aber rate, wer den Sommer bei mir verbringt? Meine verdammte Schwester! Wie du dir vorstellen kannst, raste ich gerade aus. Ich brauche eine Martin-Aufmunterungsansprache. Oh ja, und wegen der Ausstellung. Du willst wahrscheinlich wissen …«
»… wo sie stattfindet«, will ich gerade sagen, aber ein Güterzug nähert sich, und als er vorbei ist, passt nichts mehr auf den Anrufbeantworter, und ich höre nur noch ein Besetztzeichen.
Shona ist als Einzige im Büro, als ich komme. Sie telefoniert, und an ihrem geraden, angespannten Rücken und ihrem abgehackten Tonfall kann ich auch erkennen, mit wem. Sie drückt auf »Halten«, erschaudert, legt ihre Finger an ihre Schläfe und tut so, als würde sie abdrücken. Shona macht keinen Hehl daraus, was sie von Leuten hält, vor allem nicht daraus, was sie von Darryl Schumacher hält.
»Das ist Darryl Spacko Smacker«, zischt sie. »Will einen Termin für den Pitch für Minty Me machen – und hat natürlich wieder gefragt, ob ich mit ihm essen gehe.«
»Sag ihm, ich bin noch nicht da. Sag ihm, ich rufe ihn zurück, okay?«
»Sie ruft zurück«, sagt Shona.
Dann, etwas wütender: »Ich sagte, sie ruft zurück!«
Noch wütender: »Ich glaube nicht, dass meine Pläne für das Wochenende für den Mundhygiene-Markt wirklich von Belang sind, oder, Darryl?«
Sie knallt den Hörer auf.
»Geiler Bock«, höre ich sie leise murmeln, bevor sie ein weiteres Gespräch entgegennimmt. Gott, ich liebe Shona. Ich wünschte, ich könnte mehr so sein wie Shona. Sie verabscheut Idioten und zeigt es ihnen auch. Sie hat nie Stress und würde für ihren Job nie ihre Prinzipien verraten – weshalb sie nach sieben Jahren in der Firma immer noch die Sekretärin des Vertriebsteams ist. Wenn wir erlauben würden, dass sie versucht, etwas zu verkaufen, dann wären wir längst insolvent.
Darryl Schumacher ist der Einkaufsleiter der Langley’s-Supermärkte und bekannt dafür, dass den Frauen bei ihm schlecht wird, aber auch für die härtesten Deals im Mundhygiene-Bereich. Ich bearbeite ihn jetzt schon seit Wochen und bewege mich auf der feinen Linie zwischen dem, was unsere Chefin geschicktes Verkaufen nennt, und dem »Holzhammer-Effekt« (das heißt: ganz viel Hämmern und kein Ergebnis). Mundhygiene-Produkte an Supermärkte zu verkaufen ist mein Beruf. Ich weiß, damit rettet man nicht die Welt, aber ich liebe meinen Job und scheine ganz gut darin zu sein. Andererseits schätze ich – ohne mich selbst loben zu wollen –, dass ich so ziemlich in allem gut bin, was ich mir vornehme. »Caroline ist eine sehr fähige junge Dame«, haben die Lehrer in meine Zeugnisse geschrieben. Sie kennen diese Typen: nur Einsen im Abitur, erstklassiger Schulabschluss, sofortige Aufnahme in das Skidmore-Colt-Davis’-Graduierten-Programm – im Grunde eine Streberin.
Die Sache mit Schumacher steckt in der heißen Phase. Wenn er mich kalt erwischt, dann könnte ich den Deal verlieren, aber wenn ich meine Karten richtig ausspiele, dann stehen nächste Woche die Mini-Minty-Me-Atemerfrischer in den Regalen aller Niederlassungen von Langley’s, was für die Firma Profit bedeutet – und für mich die Aussicht darauf, als »Verkäufer des Jahres« bei den Annual Awards des August’s Institute of Sales nominiert zu werden. Nicht, dass das ein Highlight wäre oder so etwas.
Deshalb ist jetzt, wo ich gerade ins Büro gekommen bin und noch kalt erwischt werden kann, nicht der richtige Zeitpunkt, mich mit Schumacher zu befassen. Ich bin abgelenkt durch Lexis Ankunft, und ich möchte Toby eine Mail schicken.
An:
[email protected] Von:
[email protected] Betreff: Invasion der Teenager-Mutanten-Schwester in 64 Coombe Gardens. Aargh!
Watete am Sonntag gerade knietief im Bürokram-Sumpf (stimmt nicht, aber das braucht er nicht zu wissen) , als es an der Tür klingelte. Du wirst nie erraten, wer davor stand und mir verkündete, dass sie den Sommer bei mir verbringen will?!
Plötzlich fasst mir jemand an die Schulter, und dann erklingt ein vertrautes Schuljungen-Kichern.
»Schreibst du mir schon wieder Liebesbriefe? Mach mal ’ne Pause, ja? Die verstopfen mein Postfach.«
»Herrje, Toby. Wegen dir hätte ich fast einen Herzinfarkt bekommen.«
Er lacht und kaut einen Keks. Ich kenne niemanden, der so viel isst wie Toby Delaney und trotzdem noch einen konkaven Bauch hat.
»Diese Wirkung habe ich oft auf Frauen«, sagt er und setzt sich an seinen