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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katy Regan
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meinen Schuldgefühlen zu ertrinken? Habe gedacht, sie würde mich enterben oder mich anschreien oder furchtbar enttäuscht von mir sein, wenn ich ihr die Wahrheit sage? Dabei war sie die ganze Zeit meine Mum. Natürlich war sie das. Alles, was sie will, ist, dass ich glücklich bin. Ich habe sie unterschätzt.
    Sie hält noch immer meine Hände fest, streichelt sie mit ihren Daumen, und es fühlt sich großartig an, beruhigend.
    »Weißt du, eine Ehe ist eine ernste Sache«, erklärt sie. »Ich meine, ich wünschte, dein Vater und ich hätten uns da nicht einfach so reingestürzt; wir passten von Anfang an überhaupt nicht zueinander. Zumindest hattest du genug Verstand und Mut, um auszusteigen, bevor es ernst wurde. Du warst mutig. Wirklich mutig.«
    Das ist schon das zweite Mal, dass das jemand zu mir sagt.
    »Dann bist du nicht wütend?«
    »Doch, fuchsteufelswild. Nein, natürlich bin ich nicht wütend!« Sie sieht auf ihre Uhr. »Ehrlich gesagt muss ich dir auch etwas beichten.« Nervös streicht sie ihren neuen Pony aus ihrem Gesicht und sieht sich im Raum um. »Ich habe einen Freund.«
    »Einen Freund?«
    »Oh, dann eben einen Lebensgefährten.«
    »Oh, Mum!«
    Auf einmal spüre ich ein Glücksgefühl in meiner Brust. Das überrascht mich wirklich. Aber es ergibt plötzlich alles einen Sinn: die neuen Sachen, die neue Frisur, das Haus, das zum ersten Mal fröhlich wirkte und voller Leben war. Es lag daran, dass sie glücklich war.
    »Na ja, auf jeden Fall bin ich glücklicher als vorher«, meint sie, als ich das ausspreche. Typisch, dass sie so untertreibt.
    »Und? Wie ist er? Ist er nett?«
    Ich möchte ihr endlos Fragen stellen, bin beeindruckt, fasziniert. Mit zweiunddreißig bemühe ich mich darum, einen Freund zu finden, und sie kriegt einen mit siebenundfünfzig?
    Und er sieht gut aus. Ein richtig attraktiver Mann mit silbergrauem Haar. Das finde ich heraus, als er ungefähr zwanzig Sekunden später durch die Tür des Betty’s kommt.
    Dinge, die ich an diesem Nachmittag über den neuen Freund meiner Mutter erfuhr (den ersten Freund meiner Mutter überhaupt):
    Er hieß Charlie.
    Er war dreiundfünfzig. (Auch jünger als sie – verdammt gute Arbeit!)
    Er trug schicke, aber nicht zu teure Sachen: eine Cordjacke, ein M & S-Shirt, eine Jeans und Halbschuhe. Und er lächelte sehr offen.
    Er war Sanitäter (ruhig, pragmatisch, krisenfest).
    Und er sah aus, als könnte er in einem Werbespot für eine Versicherung mitwirken. (»Er sieht doch aus wie Richard Chamberlain, findest du nicht?«, meinte Mum stolz. »In seinen Dornenvögel-Zeiten.«)
    Er liebte das Heimwerken und Schreinern.
    Er war in jeder Hinsicht das krasse Gegenteil meines Vaters.
    Und er machte meine Mum unglaublich glücklich.
    Niemals werde ich ihren Gesichtsausdruck vergessen, als sie uns einander vorstellte.
    »Caroline, das ist Charlie. Charlie, das ist meine Tochter Caroline …«
    Sie war so voller Hoffnung, wie ein Teenager, der seinen Eltern den ersten Freund vorstellte. Sie war ganz aufgeregt und fuhr sich ständig mit den Fingern durchs Haar. Als Charlie zur Toilette ging, küsste er sie. Er würde sie sogar auf dem Klo vermissen?
    Wie sich herausstellte, war Charlie inzwischen ein ständiger Gast in der Coppice Avenue. Daher die Marmelade.
    Nach ungefähr einer halben Stunde küsst Charlie Mum erneut – ich gebe mir große Mühe, nicht hinzustarren – und geht, um sich mit seiner Tochter zu treffen. Mum und ich setzen uns auf ein Stück Rasen vor dem Kriegsdenkmal direkt vor dem Betty’s und reden weiter. Mum ist offen und entspannt. Noch nie habe ich so mit ihr reden können, mein ganzes Leben lang nicht. Ich überlege, ob ich ihr von Toby erzählen soll. Schließlich habe ich Rachel das angetan, was Cassandra meiner Mutter angetan hat. Vielleicht hat meine Mutter ja einen Rat von der anderen Warte aus? Ich entscheide mich jedoch dagegen. Einige Dinge muss selbst die eigene Mutter nicht wissen. Die Affäre ist jetzt vorbei. Wieso soll ich es ihr also gestehen? Ich muss das endlich hinter mir lassen.
    Schließlich hat sie das auch getan.
    Die Sonne kommt jetzt raus. Mum legt sich auf das Gras.
    »Und? Wie findest du Charlie?«, fragt sie.
    »Ich finde ihn großartig, Mum. Wirklich großartig.«
    »Das genaue Gegenteil deines Vaters?«
    »Ja, ein bisschen.«
    »Ich glaube nicht, dass dein Vater in zweiundzwanzig Jahren Ehe jemals ein einziges Möbelstück für mich aufgebaut hat. Charlie baut ein ganzes Esszimmer an einem

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