Roman
die nicht schon mal auf einer Party mit Mr Delaney geknutscht hatte. Das war schließlich mein erster erwachsener, »richtiger« Job, und ich steckte da schon in einer zehnjährigen, sehr erwachsenen Beziehung mit Martin Squire. Während also meine neuen Kollegen alle bis drei Uhr morgens feiern und miteinander ins Bett gingen, kochte ich Risotto auf Vorrat.
»Zwei Fliegen mit einer Klappe, Caro!«, verkündete Martin dann stolz, als würde ihn auf Vorrat zu kochen auf eine höhere spirituelle Ebene heben. »Das reicht für den Tee und für fünf Tage Mittagessen.«
Inzwischen hat sich herausgestellt – ich weiß das, weil er es mir gesagt hat –, dass Toby irgendwie von mir fasziniert war. Er war der Schwarm des gesamten Graduiertenprogramms. Wegen seiner einmaligen Mischung aus sexueller Ausstrahlung und dem Charme eines kleinen verlorenen Jungen wollten alle Frauen ihn pflegen, wenn er einen Kater hatte, ihn dann bewusstlos bumsen und seine Kinder kriegen, mich eingeschlossen.
Und doch blieb ich nie und betrank mich, ich ging immer nach Hause zu meinem Freund. Das soll nicht heißen, dass ich nicht die gleichen schmutzigen Gedanken gehabt hätte wie alle anderen, ich war nur ein Profi in Selbstbeherrschung. Die wenigen Male, die sich Martin und Toby auf Firmenfeiern begegneten, war ich nervös und fühlte mich dann schrecklich, weil ich nervös war. Sie redeten über Musik – niemand ist unsportlicher als Martin, und Männer reden offenbar immer nur über Sport oder Musik. Ich versuchte dann, mich auf das Gespräch zu konzentrieren, das ich gerade führte, während ich zuhörte, wie Martin sagte: »David Gray, Toby, der ist dein Mann!«, und Toby über Martins Schulter blickte, seine Augenbrauen hob und versuchte, nicht zu lachen.
Dann, 2004, vier Jahre nachdem Toby und ich uns das erste Mal im Rahmen des Graduiertenprogramms getroffen hatten, wurde er abgeworben, und wir sahen uns für die nächsten vier Jahre nicht mehr. Aber dann, eines Tages im Oktober 2008, hörte ich eine vertraute Stimme im Büro: laut, ein bisschen heiser, mit einem anbetungswürdigen Lispeln. Mein Magen befand sich im freien Fall.
Und jetzt war es so weit: Ich knutschte mit einem verheirateten Mann im Wohnzimmer meines Hauses, in dem ich früher mit meinem Verlobten gewohnt hatte. Wie ich schon sagte, es lief alles so gut …
Vielleicht, überlegte ich, konnte ich ja, wenn ich sowieso in die Hölle kam, auch den besten Platz bekommen, weil ich trotz meines Entschlusses vierzehn Tage später – als Toby mich an der U-Bahn-Station küsste, eine Augenbraue hob und meinte: »Gehen wir zu dir?« – schwach wurde.
Na ja, und das war’s dann. Ich hatte mein Gesicht, meine Würde und alle geheimnisvollen Qualitäten verloren, die ich jemals besessen hatte. Er sollte nicht glauben, dass er mich einfach weiter abfüllen und dann mit mir machen konnte, was immer er wollte. Ich würde mich nicht in ihn verlieben. Wenn wir dieses Spiel spielten, dann würde es ein paar Regeln geben. Die Buchclub-Regeln. Mein Haus, jeden zweiten Mittwoch. Und um spätestens halb zehn war Schluss.
Also wurde ich bei dem Versuch, Toby Delaney zu zeigen, dass ich nicht die Art Frau bin, die er betrunken machen und dann vögeln kann, zu der Art Frau, die alle vierzehn Tage mit einem verheirateten Mann zum Sex verabredet ist. Ich konnte mich davon abhalten, mich zu verlieben, wenn ich das wollte.
Wir dösen jetzt im Bett. Neben mir kann ich die roten Ziffern auf meinem Wecker drohend blinken sehen: 20:16. Noch vierundvierzig Minuten, bis er wieder gehen muss.
»Hätte die Sexgöttin aus dem SW 11-Bezirk vielleicht gerne ein Glas Wein?«, fragt Toby.
Ich rolle mich auf ihn und seufze.
»So weit ist es also schon mit uns?«
»Ich fürchte, ja, Zuckerstückchen.« Er haut mir auf den Hintern. »Wenn man Wein trinkt, fühlt man sich zu Hause … Pech gehabt.«
Ich küsse ihn auf die Nase und stehe auf. »Das meinst du nicht so«, sage ich und drehe mich zum Fenster, damit er nicht sehen kann, dass ich lächle.
Wir ziehen uns an und gehen in die Küche. Nach dem Sex ein eiskaltes Glas Sauvignon Blanc zu trinken ist eins der Buchclub-Rituale.
»Weißt du, was ich am meisten an dir liebe, Steeley?«, fragt Toby, als er mir ein Glas eingießt.
»Nein, sprich nur weiter. Was liebst du am meisten an mir?«
»Du bist wie ein Kerl.«
»Oh.«
»Oh, Baby!«, sagt er, als er sieht, wie ich das Gesicht verziehe. Dieses Mal macht mich sein Schuljungenlachen ein
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