Roman
los, probieren Sie es an.«
Er trägt ein ausgeblichenes graues Vintage-T-Shirt, Jeans und Turnschuhe – blau und grellgrün, mit offenen Schnürsenkeln.
»Oh nein, ich will nicht …« Plötzlich bin ich furchtbar verlegen. Die Tatsache, dass er so gut aussehend ist, hilft kein bisschen. Groß, mit blassgrünen, durchdringenden Augen und tiefen Lachfalten, die sich, wenn er lächelt – was er oft tut –, mit den Fältchen um seinen Mund treffen. Irgendetwas an diesen Lachfältchen kommt mir bekannt vor. Ich wette, er ist oft draußen unterwegs. Ob er wohl Ski fährt? Nein, zu spießig. Wahrscheinlich ist es Kajakfahren oder Bergsteigen, oder vielleicht kommen diese Lachfältchen davon, dass er stundenlang auf offener Straße Motorrad fährt.
Sein Haar ist strohblond, von der Sonne ausgeblichen und ein bisschen zerzaust; es bildet einen Gegensatz zu seiner dunklen, leicht glänzenden Haut. Aber es ist sein Lächeln, was mich am meisten beeindruckt. Ich kann nicht aufhören, es zu betrachten: breit und schelmisch, mit einem leicht angeschlagenen Schneidezahn. Man könnte sich in so einem Lächeln verlieren, denke ich. Stunden könnte man darin verlieren.
Er geht weg und trinkt dabei aus einem Pappbecher Kaffee, so, als hätte er gerade eine Idee. »Hier«, sagt er und kommt Sekunden später mit einem riesigen weichen Hut und einem Tuch zurück, »probieren Sie das mal.« Er drapiert beides an mir. »Sehr Marianne Faithfull«, behauptet er, »sehr sexy.«
Ich schüttele den Kopf.
»Oh nein. Das geht nicht. So etwas könnte ich nie tragen.«
Er verschränkt die Arme vor der Brust, steht breitbeinig da und sieht mich auf diese intensive Weise an, die mich nervös lachen und den Blick abwenden lässt. »Also, da muss ich wirklich widersprechen«, sagt er. Mein Gott, flirtet er etwa mit mir?
Ich betrachte mich noch einmal im Spiegel. So würde ich mich nie auf die Straße trauen, aber es sieht süß aus. Sehr süß …
»Glauben Sie wirklich?«
»Ob ich das glaube? Ich weiß es«, versichert er mir mit gespieltem Ernst.
»Oh, machen Sie weiter«, stöhne ich geziert. »Ihre Verkaufsstrategie mit den Komplimenten funktioniert ganz hervorragend bei jemandem, der so ausgehungert danach ist wie ich.« Und dann nehme ich das Kleid mit in die Umkleidekabine – eine Stück alte Gardine im hinteren Teil des Ladens, die man zuziehen kann. Ach, was soll’s. Leb ein bisschen, Caroline. Dann endet das Kleid eben ganz hinten in deinem Schrank. Vielleicht könntest du es mal zum Buchclub anziehen. Nur für Toby. Ich komme mir bei dem Gedanken sehr verrucht vor, und ich summe sogar ein bisschen vor mich hin, während ich mich aus meinem Asda-Kleid schäle und das Etuikleid über meine Unterwäsche ziehe (die weder schön ist noch zusammenpasst heute, was die Freude ein bisschen schmälert). Ich blicke mich nach einem Spiegel um. Kein Spiegel. Scheiße! Jetzt muss ich rausgehen und mich ihm zeigen, ohne vorher überprüfen zu können, ob BH oder Unterhose irgendwo kneifen und für unschöne Rollen sorgen. Aber du kannst auch nicht den ganzen Tag hier drin bleiben, Steeley, sage ich mir selbst und hole tief Luft. Komm schon, du musst das tun. Ich ziehe den Vorhang zurück und gehe raus.
Er sitzt jetzt in einem Sessel und sieht sehr ernst aus. Das lässt mich kichern.
»Okay, Sie müssen das Kleid nehmen. Bei den Beinen? Wow.«
Ich verdrehe zwar die Augen, aber heimlich liebe ich es. »Sie machen mir nur Komplimente, damit ich es kaufe. Ich bin vielleicht blond, aber ich bin nicht blöd.«
»Oh, kommen Sie schon! Nehmen Sie das Kleid. Jeder wird Ihnen bestätigen, dass Sie darin absolut umwerfend aussehen.«
Obwohl ich dagegen ankämpfe, breitet sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. Umwerfend? Absolut umwerfend?
»Sind Sie immer so zu Ihren Kundinnen?«
»Nein«, behauptet er. »Gar nicht.«
Geziert schnalze ich mit der Zunge und sehe mich noch einmal im Spiegel an. Meine Beine sehen wirklich ziemlich gut aus, schön geformt. Verdammt, vielleicht hat er recht.
Dann ertönt plötzlich von hinten aus dem Laden ein »Oh, dann habt ihr euch also schon kennengelernt?«, und meine Schwester taucht hinter einem Kleiderständer auf.
»Lexi!« Ich zupfe am Saum. Dabei komme ich mir vor wie ein Schulmädchen, das beim Knutschen hinter dem Fahrradschuppen erwischt wurde.
Wayne sieht mich an, und eine amüsierte Erkenntnis blitzt in seinem Gesicht auf.
»Wayne, das ist meine große Schwester Caroline. Caroline, das ist
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