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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katy Regan
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stimmt’s?«
    »Nein!«, lüge ich. »Nein, nein, nein …«
    Scheiße, scheiße, scheiße.
    »Natürlich habe ich es ihr erzählt, damals, als es passierte. Sie ist nur ein Teenager, das ist alles. Und weibliche Teenager sind am schlimmsten, ohne erkennbaren Grund extrem launisch.«
    »Bist du sicher?«
    »Natürlich bin ich sicher«, entgegne ich und denke: Das war’s. Ich muss das jetzt endlich klarstellen. Was soll das ganze Theater überhaupt? Dann habe ich es eben beendet. Ich habe bei etwas versagt, so etwas passiert.
    Doch dann sagt er: »Na ja, du hast ja immer noch mich, nicht wahr? Ich möchte, dass du immer ein Teil meines Lebens sein wirst, selbst wenn wir nur Freunde sind.«
    »Das will ich auch«, sage ich und hebe mein Glas. »Auf Freunde. Besondere Freunde.«

14
    Am folgenden Samstag, als Lexi bei Wayne in seinem kleinen Laden arbeitet, beschließe ich, hinzugehen und mich vorzustellen. Genau das ist es nämlich – und kein Hinterherspionieren. Hinterherspionieren wäre es dann, wenn ich herumschliche und sie von Weitem beobachtete, im gleichen Bus führe wie sie und ihr folgte wie eine paranoide irre große Schwester. Und ich bin nicht paranoid – oder? Höchstens auf eine gesunde Weise. Ich will ihn mir nur mal ansehen, das ist alles. Er könnte schließlich irgendein alter, widerlicher Markthändler sein.
    Jedenfalls weiß sie, dass ich komme, und ist wirklich aufgeregt deswegen.
    »Wayne ist krass, er wird dir gefallen«, wiederholt sie seitdem ständig, was mich aus irgendeinem Grund nervös macht und meine Erwartungshaltung erhöht. Was, wenn ich ihn abgrundtief hasse? (Sei nicht albern, sage ich mir immer wieder, warum zum Teufel sollte ich ihn hassen?) Aber ich bin immer sehr nervös, wenn ich neue Leute treffen soll; das habe ich von Mum. Das ist kein Zynismus, sondern fehlendes Selbstbewusstsein. Wird er mich mögen? Oder hat er mich bereits als einen analfixierten, eigentlich zutiefst unglücklichen Freak mit Listentick abgehakt?
    Auf jeden Fall ist mir auf der scheinbar ewig dauernden Fahrt mit der Northern Line klar geworden, dass ich vorher noch nie am Camden Market war. In den zehn Jahren, die ich jetzt in dieser Stadt lebe, habe ich diese besondere kulturelle Attraktion noch niemals besucht. Ich denke, es liegt daran, dass ich während dieser langen Zeit mit Martin zusammenlebte, und Martin auf eine ganz besondere Art konventionell ist. Für ihn ist der Camden Market voller »Penner«, voller Leute mit »schrecklichen Zöpfen«, wie er sie nennt. Es war das Gleiche mit Spitalfields oder Portabello, und gnade mir Gott, wenn ich zum Notting Hill Carnival gehen wollte. »Das ist so vorhersehbar, so touristisch, Caro«, sagte er dann, »und voll von diesem Ethno-Zeug.« Ich schätze, wen man zehn Jahre mit jemandem zusammenlebt, dann färben solche Einstellungen auf einen ab, und so begegne ich inzwischen auch allen Second-Hand-Sachen und Lederjacken, die nach Räucherstäbchen riechen, mit Misstrauen.
    Deshalb überrascht es mich sehr, dass ich den Camden Market liebe. Ich kann nicht genug davon bekommen, fühle mich wie ein Gesundheitsfanatiker bei McDonald’s. Ich liebe die Stände, an denen es dicken Silberschmuck und Ketten mit riesigen bunten Steinen zu kaufen gibt, die aussehen wie gekochte Bonbons. In einem Laden, in dem es Glasflaschen und Wasserpfeifen zu kaufen gibt, verbringe ich viel Zeit und frage mich, wie man die benutzt. Ist es zu spät, um noch mit dem Wasserpfeiferauchen anzufangen? Ich bin hingerissen von den schwarzhaarigen Laden- und Standbetreibern mit ihren schwarz umrandeten Augen, ihren Piercings und ihren komischen dicken Turnschuhen, von den Punks und Goths und den Teenagerbanden mit ihren Ray-Bans, die aussehen, als kämen sie direkt vom Set eines Beatnik-Films.
    Eine Stunde laufe ich herum und vergesse sogar, nach Lexi zu suchen, tauche völlig ein in ein neues, psychedelisches London, das mir auf merkwürdige Weise das Gefühl gibt, lebendig zu sein. Es ist warm, und der Duft von Essen liegt überall in der Luft. Hier gibt es alles, was das Herz begehrt: heiße goldene Crêpes, riesige Terrinen mit blubberndem Curry mit Ziege, Hammel oder auf Dahl- oder Balti-Art zubereitet, Pizzas und duftende Fässer mit cremigem Thai-Curry. Ein gedrungener, muskulöser Mann, der von Kopf bis Fuß tätowiert ist (auch das Gesicht), ruft: »Enchiladas! Zwei für ein Pfund!« Ich kaufe ihm eine ab, die vor saurer Sahne trieft. Warum war Martin nie mit mir hier?
    Ich

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