Roman
verbringe eine Viertelstunde an einem Stand mit alten Büchern, blättere Erstausgaben von Thomas-Hardy-Romanen, herrlich vergilbte Shakespeare-Stücke und Sonette der romantischen Poeten durch. Auch nach Lexi halte ich Ausschau, aber es scheint, als würde jeder kleine Stand von einem hippen, hübschen jungen Mädchen geführt, das in der Sonne sitzt. Deshalb beschließe ich, dass ich es ja nicht eilig habe und mich auch alleine ganz großartig amüsiere. Ich schlendere herum und entdecke einen Durchgang, der vom Hauptweg abzweigt und faszinierend aussieht – spärlich beleuchtet, wie ein Hasenbau. Darin befinden sich Geschäfte mit Büchern, Klamotten und Platten. Auf der linken Seite stoße ich auf einen kleinen Laden mit schäbigen, matten Fenstern wie in einem alten Dickens’schen Antiquitätengeschäft. Musik ertönt von drinnen; etwas Seelenvolles und Kratziges schallt aus einem alten Grammofon. Ich stecke meinen Kopf durch die Tür und stelle fest, dass der Laden weitläufiger ist, als er von außen aussieht. Hier werden hauptsächlich alte Möbel angeboten: ein paar zerschlissene Ledersofas, alte Haartrockner und Retro-Couchtische. In der hinteren rechten Ecke steht ein antikes Einzelbett – weit oben und so schief, dass es wirkt, als hätte ein Taifun es hochgehoben und dort abgesetzt. Es gibt Stehlampen im Shabby-Chic-Look, die jede Ecke erhellen, und altes Wedgwood-Porzellan, das an jeder freien Stelle gefährlich hoch aufgestapelt ist. Ganz hinten entdecke ich Ständer mit Lederjacken und Fellmänteln in allen Farben, Vintage-Schuhe sind auf dem Boden aufgereiht, und überall hängen funkelnde bestickte Handtaschen. Es ist so ein Laden, an dem Martin mich kopfschüttelnd vorbeigezogen hätte: »Was sind das nur für Frauen, die gerne in Klamotten rumlaufen, die ihre Großmütter getragen haben?« Es ist auch so ein Laden, der mir ein bisschen Angst macht, obwohl er mich gleichzeitig reizt. Werden die sofort merken, was ich für eine bin? In meinem George-at-Asda-Sommerkleid?
Es scheint jedoch niemand hier zu sein, also schlendere ich weiter hinein, sehe mir unsicher die Lederjacken an und streichele über die Kleider mit ihren merkwürdig rauen, bunten Stoffen. »Sieht aus wie eine alte Gardine.« Jetzt ist es meine Mutter, die ich höre.
Dabei habe ich die Frauen, die Vintage tragen können, immer heimlich bewundert, die mit einem »Statement-Look« herumlaufen oder Hüte tragen können, als wären sie damit geboren worden, die Kleidung anziehen können, wie Lexi sie trägt. Ich war noch nie gut in Sachen Mode. Nicht, dass ich es nicht versuchen würde: Ich gehe mit dem Entschluss shoppen, ein »Outfit« zu kaufen, einen »Look«, eine überraschende, ausgefallene Kombination, die meine Freunde beeindrucken wird – und komme mit einer weiteren beigen Strickjacke von Next zurück.
Aber heute bin ich abenteuerlustig. Vielleicht kann ich doch ein Vintage-Kleid tragen? Vielleicht würde Toby mich in einem süßen, unbekümmerten Sixties-Kleid unwiderstehlich finden? Befangen gehe ich zwischen den Ständern hindurch.
Ich finde einen Pelzmantel – karamellfarben, toll! – und halte ihn mir vor dem Spiegel an, dann hänge ich ihn wieder weg, als ich mir auszumalen versuche, wie ich damit durch den SW 11-Bezirk laufe. Aber das hier! WOW … Ich nehme es vom Ständer: ein total schönes, kurzes Sixties-Etuikleid. Es ist mitternachtsblau mit schräg geschnittenen Ärmeln und einem weiten, runden Ausschnitt und einem mit Silberfäden aufgestickten Blättermuster. Ich nehme es vom Bügel, stelle mich vor den Spiegel und halte es mir mit einer Hand an, während ich mit der anderen mein Haar hochnehme und mir vorstelle, wie das meine Schlüsselbeine betont. Die zu meinen Vorzügen gehören, wie Martin mir einmal sagte.
»Sie können es anprobieren, wenn es Ihnen gefällt«, höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Breiter nördlicher Akzent. Yorkshire. Das erkenne ich sofort.
»Mein Gott, haben Sie mich erschreckt«, lache ich und werde feuerrot. Was habe ich im Spiegel getan? Habe ich tatsächlich einen Schmollmund gemacht?
»Ich habe einen Schmollmund gemacht, oder?« Es rutscht mir einfach so heraus.
Der Mann – ich nehme an, es ist der Ladenbesitzer – lehnt sich gegen einen Kleiderständer und lacht ein kehliges, echtes Lachen.
»Ja, Sie haben sich so richtig im Spiegel bewundert«, bestätigt er, und ich fühle, wie mein Gesicht anfängt zu brennen. »Ich wette, Sie sehen toll darin aus. Na
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