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Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Titel: Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livaneli
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Yılmaz Güney, Yaşar Kemal, Altan Gökalp und ich geladen wurden. Mit Melina Mercouri, der Gastgeberin des Treffens, verstand ich mich allerdings nicht besonders, wofür es mehrere Gründe gab.
    Zum einen gehörten meine Freunde Maria Farantouri und Mikis Theodorakis im Geflecht griechischer Künstlergruppierungen nicht zur gleichen Fraktion wie Melina Mercouri, woraus sich Feindseligkeiten ergaben. Zum zweiten lag Melina Mercouri, was die Türkei betraf, auf der harten Linie von Ministerpräsident Papandreou. Die Türkeipolitik der PASOK war seit jeher von Unversöhnlichkeit geprägt und darauf ausgerichtet, das türkische Volk zu beleidigen. Von mir als türkischem Künstler im Exil erwartete Mercouri, ich werde über mein Land herziehen, was ich aber niemals tat, ganz im Gegenteil. Ich war gegen die Militärregime in der Türkei und versuchte, die Grundwerte des Landes vor ihnen zu schützen. Ich stand hinter meinem Land und glaubte mich als Künstler eher befugt, es zu vertreten, als irgendein Diktator.
    In ihrer Eigenschaft als Kulturministerin bemühte sich Melina Mercouri schließlich sogar, Auftritte von mir im griechischen Fernsehen zu verhindern. Und noch mehr tat sie mir an. Um die Tantiemen aus meinen Platten, die sich auch in Griechenland gut verkauften, und die Erlöse aus meinen Konzerten zu transferieren, benötigte ich eine Genehmigung des Kulturministeriums, die mir Mercouri hartnäckig verweigerte. So wurden die Gelder, die mir von der Plattenfirma Minos und aus anderen Quellen her zustanden, von der griechischen Zentralbank blockiert und mir auch später niemals ausgezahlt.
    Da Melina Mercouri das Treffen auf Hydra leiten sollte und wir nicht wussten, was uns bei einer Einladung der PASOK auf einer griechischen Insel alles erwarten konnte, fuhren Yaşar Kemal, Altan Gökalp und ich schließlich nicht hin.
    Zusammen mit dem Film als solchem war auch die Musik von Yol erfolgreich. Elektronische Klänge mit volkstümlichen Instrumenten zu kombinieren war Jahre vor Peter Gabriels Passion noch ein gewagtes Unternehmen. Sebastian Argol bekam also viel Lob in der Presse. Schließlich wurde die Musik zuerst für Frankreich, dann für ganz Europa auf Platte gepresst, und letztendlich gab es bei Warner auch eine amerikanische Edition.
    Es war ja schön und gut, dass Sebastian Argol bald in jedem Plattenladen vertreten war, aber irgendwann begann ich darunter zu leiden, denn der Name Livaneli wurde von dem Phantom Sebastian Argol verdrängt. Meine Tantiemen waren mir gesichert, denn ich hatte die Platten bei den entsprechenden Verwertungsgesellschaften unter meinem Pseudonym registrieren lassen, doch konnte ich die Möglichkeiten, die sich mir durch den Erfolg der Musik überall geboten hätten, wegen meiner Anonymität nicht nutzen.

 
    U   nsere Europa-Tournee 1983 begann in Deutschland, wo wir unter anderem in der Alten Oper in Frankfurt und in der Essener Gruga-Halle auftraten. Im Hamburger St. Pauli-Stadion sang Joan Baez mit uns und in der Berliner Waldbühne Nana Mouskouri.
    Danach ging es nach Skandinavien, nach Helsinki und Stockholm. In jeder Stadt gab es eine Pressekonferenz und Treffen mit Künstlern und Intellektuellen, die im Allgemeinen sehr harmonisch abliefen.
    Oft gab nach einem Konzert auch der jeweilige griechische Konsul einen Empfang oder lud uns in ein griechisches Restaurant ein, was ich mit der Zeit als schmerzlich empfand. Maria und ich taten die gleiche Arbeit, aber unsere Länder reagierten darauf sehr unterschiedlich. Das ihre dankte ihr für ihr Tun, das meine stempelte mich als Landesverräter ab.
    Ich brauchte einige Jahre, bis ich das Gebaren der türkischen Auslandsvertretungen einigermaßen durchschaute. Es gab durchaus auch gebildete und an Kultur ernsthaft interessierte Botschafts- und Konsulatsangehörige, und ich bin stolz darauf, einige davon zu meinen Freunden zählen zu dürfen. Ein nicht unerheblicher Teil der Beamten aber kümmerte sich nur darum, die Besuche von Bürokraten aus Ankara abzuwickeln, und sah es schon als ausreichend an, wenn hin und wieder in der Botschaft ein klassisches Konzert gegeben wurde, bei dem sich dann türkische Teppichimporteure, mit Türken verheiratete Einheimische, ehemals in der Türkei stationierte Diplomaten im Ruhestand und vereinzelte Turkologen ein Stelldichein gaben. Dann hatte man den Europäern wieder einmal bewiesen, wie zivilisiert die Türken wären und dass sie sogar Mozart spielen könnten, und wandte sich befriedigt

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