Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)
einmal gar nichts. Auf der Leinwand erkannte ich den Schauspieler Tarık Akan in einer Schneeszene. Wie ein Blinder wurde ich an einen Platz geführt und setzte mich hin. Jemand neben mir umarmte mich. Ich sah nicht, wer es war, doch schien sein Körper fiebrig zu brennen. Nach einer Weile flüsterte er: »Willkommen! Schau, das ist die Arbeitskopie von meinem neuen Film. Ich sehe sie auch zum ersten Mal.«
Es war der Film, der später den Titel Yol bekommen sollte. Als am Ende das Licht anging, sah ich Yılmaz. Während der Athener Konzerte hatten wir erfahren, dass er ins Ausland geflohen war. Doch niemand wusste, wohin. Er hatte neue, modische Sachen an, eine weite Bundfaltenhose und einen hübsch gemusterten Pullover, und schien sich dessen fast zu schämen, genauso wie auch der englischen Wörter, die ihm hin und wieder herausrutschten.
»Siehst du, ich kann jetzt auch Englisch«, sagte er lachend.
Auch seine Frau Fatoş und seine Kinder waren in dem Kino. Wir gingen danach in ihre vorläufige Bleibe, ein schmuckes Häuschen, in dessen Wohnzimmer auf Wunsch des kleinen Yılmaz auch ein Mandarinenbaum stand. Fatoş erzählte, nach so vielen bitteren Erfahrungen sei sie nun ständig von bösen Vorahnungen geplagt.
Beim Essen bat mich Yılmaz, zu seinem neuen Film die Musik zu komponieren. Ich müsste mich fürs Erste mit der Arbeitskopie begnügen, und zu den Studioarbeiten sollten wir uns dann in Paris treffen, wo Yılmaz sich ohnehin niederzulassen gedachte. Dann fragte er noch, ob wir nicht unserem Wanderdasein ein Ende bereiten und auch nach Paris ziehen wollten. Damit setzte er uns in seinem Bergdorf einen Floh ins Ohr.
Z war hatte das kulturelle Leben von Paris an Authentizität eingebüßt, und die Reminiszenzen an Éluard, Verlaine, Rimbaud, Sartre oder Hemingway wurden inzwischen als Touristenfang missbraucht, aber Paris war eben immer noch Paris. Also beschlossen wir, dorthin zu ziehen.
Problematisch stellte sich allerdings die Wohnungssuche dar, denn die Mieten waren eigentlich zu hoch für uns. Wir mieteten uns zunächst in einem recht bescheidenen Zweisternehotel in der Rue des Écoles ein und suchten dann Tag für Tag, aber ohne Erfolg.
Nebenbei komponierte ich an der Filmmusik. Ich hatte vor, die Musik in Stockholm einzuspielen, da ich dort die entsprechenden Musiker kannte und auch mit den Studios besser vertraut war.
Wir besprachen uns oft mit Abidin Dino und seiner Frau Güzin, die uns auch bei der Wohnungssuche helfen wollten. Und plötzlich tat sich eine Lösung auf, und zwar von seiten der Firma Cactus, die die Produktion von Yol übernahm. Ich sollte mich mit einem Vertreter von ihnen zusammensetzen, um über das Finanzielle zu sprechen.
So traf ich mich in dem Café gegenüber von unserem Hotel mit Edi Hubschmid, der mich auch sogleich fragte, wie viel ich für die Filmmusik verlange, worauf ich erwiderte, er solle mir doch ein Angebot machen. Für den Film Die Herde hatte ich unentgeltlich gearbeitet, aber nun steckten wir ziemlich in der Klemme.
Da schlug Edi Hubschmid zu meiner Verblüffung 40.000 Francs vor. Das war für mich eine Riesensumme Geld, doch sollte ich aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen, denn im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass er nicht französische Francs, sondern Schweizer Franken meinte, wodurch sich der Betrag verdreifachte. So half uns also ein Wunder aus unserer finanziellen Not heraus.
Mit einem Rohschnitt des Films fuhr ich dann nach Stockholm und begann im Decibel-Studio mit den Aufnahmen. Es waren amerikanische, schwedische und türkische Musiker beteiligt; Ferhat spielte auf der Akustikgitarre. Nach anfänglichen Schwierigkeiten brachten wir schließlich etwas zustande, mit dem ich sehr zufrieden war.
Nach der Abmischung kehrte ich mit den Studiobändern nach Paris zurück. Yılmaz und ich schnitten gemeinsam die Musik auf den Film. Yılmaz, der beim Arbeiten gerne Armagnac trank, war von der Musik angetan und wollte lediglich bei den in Südostanatolien spielenden Passagen durch kurdische Lieder eine authentischere Wirkung erzielen.
Mittlerweile hatte Altan Gökalp uns in Montparnasse eine schöne Wohnung gefunden, von der es noch dazu nicht weit zu Abidin und Güzin Dino war. Ich spielte den beiden schon bald die Filmmusik vor, worauf mich Abidin fragte, ob es tatsächlich ratsam sei, dass im Abspann des Films mein Name auftauchte. Das Putschregime war nach wie vor an der Macht, und noch immer ergingen an im Exil
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