Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)
dem Whisky und den Rinderfilets aus den steuerfreien Diplomatenläden zu.
Dass zur gleichen Zeit ein Landsmann in ihrer Stadt vor Tausenden von Leuten ein Konzert gab, das von allen Zeitungen besprochen und womöglich sogar im Fernsehen übertragen wurde, interessierte sie nicht.
Kurz nach dem Putsch war ich einmal bei einem Freund in Hamburg, dem Türkischübersetzer Cornelius Bischoff. Als wir uns verabschiedeten, sagte Cornelius, er sei auf dem Weg zum türkischen Konsulat, da er mit dem Konsul befreundet sei, ob ich nicht mitkommen wolle? Ohne groß nachzudenken, willigte ich ein. Der Konsul, ein nervöser Mann namens İbrahim, fasste mein Kommen als politischen Akt auf und begann, mich vermeintlich unauffällig auszuhorchen. Er gedachte wohl, nach Ankara einen wichtigen Bericht zu schicken und damit dem Vaterland weiß Gott was für einen Dienst zu erweisen. So brachte er das Gespräch auf die Wohnungsmieten in Istanbul, um meine Adresse aus mir herauszukitzeln. Also ließ ich mich auf sein Spielchen ein.
»In Nişantaşı und Teşvikiye ist es ja viel zu laut mittlerweile. Wo wohnen Sie gleich noch mal?«
»In Akatlar.«
»Ja, da ist es natürlich viel ruhiger. Und wo gleich wieder in Akatlar?«
»In Richtung Etiler.«
»Ach ja, genau. Und die Straße war?«
»Die Zeytinoğlu-Straße.«
Zwischendurch ging der Konsul, über dessen Gesicht ständig ein tickartiges Zucken lief, immer wieder hinaus und kam nach einer Weile wieder. Ich weiß nicht, ob er dabei mit seinen Sicherheitsleuten sprach oder nach Ankara telefonierte, doch wenn er zurückkehrte, machte er mit seinen Clownereien weiter. Die Türkei war also mit solchen Botschaftern und Konsulen geschlagen, während man bei den Einladungen der griechischen Konsulate über Kunst und Philosophie reden konnte.
Ähnlich beschämend fiel das Ergebnis aus, wenn man die griechischen Tavernen und die türkischen Lokale in ein und derselben europäischen Stadt miteinander verglich. Während es in den Tavernen lebhaft und fröhlich zuging, wurde man bei den Türken von einer verdrossen dreinblickenden Männerrunde empfangen, die einen misstrauisch beäugte. Ich habe oft darüber nachgedacht, woher die unter den Türken weitverbreitete Kulturfeindlichkeit eigentlich rührt, und denke, dass sie nichts mit links und rechts oder sonstiger Ideologie zu tun hat.
Von meiner Schelte des Botschaftspersonals ganz ausdrücklich ausnehmen möchte ich Personen wie Özsem Sanberk, Tanşuğ Bleda, Orhan Güvenen, Daryal Batıbay, Uğur Ziyal und Necati Utkan, die in den letzten Jahren dafür gesorgt haben, dass das türkische Auswärtige Amt bei mir wieder in höherem Ansehen steht.
T röstlich war für mich, dass sich im Verlauf der Tournee der türkische Publikumsanteil bei einem guten Drittel einpendelte, so dass ich im »Prestigekampf« mit Maria Farantouri und Inti Illimani nicht das Gesicht verlor.
Nicht alle Konzerte verliefen harmonisch. Bei einem außerhalb der Tournee angesetzten Konzert in Duisburg, bei dem ich mit meinem Bruder Ferhat auf der Bühne stand, spielten wir in einem ansprechenden Saal vor einem mehrheitlich deutschen Publikum. Während der Pause drängte plötzlich eine Gruppe junger Türken, die für das ausverkaufte Konzert keine Plätze bekommen hatte, mit Gewalt in den Saal und misshandelte dabei das Einlasspersonal. Sie setzten sich dann einfach hin, so dass zwischen ihnen und den auf ihre Plätze zurückkehrenden Deutschen ein heftiger Streit entbrannte. Ferhat und ich gingen zwar auf die Bühne, aber an eine Fortsetzung des Konzerts war unter diesen Umständen nicht zu denken.
Die jungen Türken riefen: »Wir sind das Volk! Das sind jetzt unsere Plätze!« Schließlich prügelten sie regelrecht auf einzelne Zuschauer ein, und uns blieb nichts übrig, als das Konzert abzubrechen. Die Barbaren hatten uns eingeholt.
Nach der Tournee hatte ich wieder mehr Gelegenheit, mich mit Abidin Dino zu treffen, der uns während unserer dreijährigen Pariszeit die wichtigste Stütze war. Ich hätte dem Mann am liebsten eine Statue errichtet. In den drei Jahren, die wir in Paris Seite an Seite lebten, teilten wir viel Freud und Leid. Als Abidin 1982 vom Tod der Philologin Azra Erhat erfuhr, die schon Güzins Schulfreundin gewesen war, gingen wir hinaus auf die Straße, an Rodins Balzac-Statue vorbei, durch Kastanienalleen und in einsame Parks. Stundenlang marschierten wir dahin, und Abidin erzählte dabei von der verstorbenen Frau, und als
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