Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)
Jahren inhaftierten Obristenjunta.
Nach Marias Rückkehr brachten wir unsere Tournee zu Ende, die insgesamt mehr als 30 Konzerte umfasste. Es waren dies – neben den Studioaufnahmen – die intensivsten Momente unserer künstlerischen Zusammenarbeit.
D as Erste von insgesamt sieben Konzerten, die wir damals im Athener Orfeas-Kino gaben, fand an einem Samstagabend statt und sollte live vom ersten Programm des griechischen Fernsehens übertragen werden, dessen Direktor damals Vassilis Vassilikos war, der Verfasser des Romans Z. Vor dem Konzert stieg Vassilikos aus dem Übertragungswagen und kam auf mich zu. »Du bist der erste Türke, der bei uns live im Fernsehen auftritt«, sagte er. Ich erwiderte: »Schon gut, Vassili, ich werde also während des Konzerts eine türkische Flagge herausziehen und damit herumwedeln, und dazu plärre ich: Zypern bleibt türkisch, Zypern bleibt türkisch! Meinst du, dann gibt es Krieg?«
Selbst als Scherz ließ diese Vorstellung Vassilikos bleich werden. »Krieg vielleicht nicht, aber meinen Job bin ich los.«
»Den Gefallen tu ich dir! Dann kannst du wieder in Ruhe Romane schreiben.«
Die Live-Übertragung ging reibungslos über die Bühne, und am folgenden Tag wurde ich auf der Straße von allen möglichen Menschen gegrüßt. Es hatte mich sehr bewegt, im Fernsehen live auftreten zu dürfen. Ich dachte, dass ich in der Türkei nie so eine Gelegenheit bekommen würde. Und doch sollte Wirklichkeit werden, wovon ich damals nicht einmal zu träumen wagte, denn sowohl das staatliche Fernsehen TRT als auch Privatsender haben später Konzerte von mir – auch solche mit Maria Farantouri und Mikis Theodorakis – live übertragen.
In Teilen der Westtürkei hatte man das Athener Konzert damals empfangen können, und ich gewann den Eindruck, dass in dem putschgebeutelten Land eine große Aufgeschlossenheit dafür herrschte. Noch Jahre danach bekam ich Lob für das Konzert.
An einem der folgenden Abende wurden wir in eine Musikkneipe eingeladen, in der wir bis vier Uhr morgens sitzen blieben, mit dem Resultat, dass am nächsten Tag Maria keinen Ton herausbrachte. Sie hatte sich in dem Lokal verkühlt und schimpfte mit sich selbst. »Ich habe mich schon davor schlecht gefühlt. Ich hätte da nie hingehen dürfen.«
Sie war fest entschlossen, einfach im Bett zu bleiben. Wir sollten abends den Konzertbesuchern die Sache erklären und sie wieder nach Hause schicken. Ich war strikt dagegen und beteuerte, die Zuschauer müssten schon mit eigenen Augen sehen, dass Maria krank war. Schließlich brachte ich sie dazu, sich trotz ihres Fiebers und der kalten Schweißausbrüche zu dem Konzert aufzuraffen. Nach der Auftrittsmusik ging sie auf die Bühne und fing zu singen an, aber es kam wirklich nur ein Krächzen heraus, und noch dazu wurde sie von Hustenanfällen geschüttelt. Schließlich sagte sie zu den Zuschauern: »Ihr seht, wie es um mich steht. Verzeiht mir bitte!«
Die Leute brachen in Beifall aus. Ich wurde dadurch in meiner Auffassung bestätigt, dass man vor dem Publikum keine irgendwie gearteten Schwierigkeiten verbergen soll. Bei Open-Air-Konzerten in der Türkei sollte ich es später mit allen möglichen Hürden und unter anderem auch mit Sabotageakten zu tun bekommen. Bei einem Konzert vor Zehntausenden von Menschen wurde mir einmal der Strom abgeschaltet. Jeden Augenblick konnte eine Panik ausbrechen. Da sangen die Leute in den vorderen Reihen das Lied, das ich zuletzt angestimmt hatte, ganz einfach weiter, und das verbreitete sich über den ganzen Platz hinweg, bis alle im Chor sangen. Seither lasse ich bei jedem Konzert das Publikum mitsingen.
Eines Tages bekam ich in Marias Haus einen Anruf aus der Schweiz und wurde gebeten, wegen eines Films nach Zürich zu kommen. Ich hatte schon einen leisen Verdacht und flog deshalb mit Ülker dorthin. Es empfing uns Edi Hubschmid von der Filmproduktionsfirma Cactus, mit der Yılmaz Güney schon mehrfach zusammengearbeitet hatte. Nach einer Nacht in Zürich fuhren wir mit dem Auto in Richtung französische Grenze. Es war ein strahlender Tag, und nur die Gipfel der verschneiten Berge verloren sich manchmal in den Wolken. An einem verwaisten Grenzübergang fuhren wir schließlich auf französisches Territorium und in endlosen Serpentinen immer weiter einen Berg hinauf, bis wir in einer kleinen Ortschaft ankamen. Auf dem Dorfplatz war ein Kino, und dorthin wurden wir gebracht.
Von der Sonne draußen geblendet, sahen wir im Dunkel erst
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