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Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Titel: Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livaneli
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lebende Türken Aufrufe, in die Heimat zurückzukehren. Doch selbst diejenigen, deren Namen nur aus Versehen auf jene Liste geraten waren, zögerten, der Aufforderung Folge zu leisten, da sie nicht wussten, was sie in der Türkei erwartete. Wenn nun bekannt wurde, dass ich im Ausland mit Yılmaz Güney zusammenarbeitete, konnte es mir passieren, dass ich meine Staatsangehörigkeit einbüßte. Schließlich lebten wir in der Hoffnung, eines Tages in die Türkei zurückzukehren.
    Aus seiner langjährigen Erfahrung heraus empfahl mir Dino, ein Pseudonym zu benutzen. Ich rief daraufhin in Istanbul bei Yaşar Kemal an, der mir den gleichen Rat gab.
    Ich konnte mich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, denn ich war ja stolz auf diese Musik und hätte sie gerne unter dem Namen Zülfü Livaneli herauskommen sehen. Da mir die Staatsangehörigkeit aber wichtiger war, machten wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Pseudonym. Abidin sagte: »In der Bretagne gibt es hübsche Ortsnamen, da finden wir schon ein Dorf für dich.«
    Wir breiteten auf dem Tisch eine Landkarte aus, über die Abidin mit dem Zeigefinger so lange fuhr, bis er ausrief: »Ha! Bitteschön: Argol! Da haben wir schon einen Nachnamen.«
    Argol klang wirklich nicht schlecht. Und der Vorname? Güzin sagte: »Mir gefällt Sebastian gut.«
    Und schon war ein Komponist namens Sebastian Argol geboren.

 
    A   ls ich erfuhr, dass Yol zum Filmfestival in Cannes eingeladen wurde, versuchte ich gerade, in Ülkers Abwesenheit unsere neue Bleibe in Montparnasse wohnlicher zu gestalten. Der Anblick der fast leeren Wohnung machte mich trübsinnig. Ich war in meinem Leben bereits fünfundzwanzigmal umgezogen und hatte es satt, überall von vorne anfangen zu müssen. Mein Traum war es, mich in der Türkei endgültig niederzulassen, aber daran war vorläufig nicht zu denken.
    Eines Tages muss ich bei Abidin besonders missmutig dreingesehen haben, denn irgendwann sagte er: »Du gefällst mir gar nicht. Du fühlst dich wohl in deiner Wohnung noch nicht daheim.«
    Dann stand er auf und suchte in seiner Werkstatt von den an die Wand gelehnten Bildern einige aus. Als er an die sieben, acht beisammen hatte, gab er einen Teil davon mir, klemmte sich die anderen unter die Achsel und sagte: »Na komm schon!«
    Wir gingen zu Fuß zu meiner Wohnung, wo Abidin sich sofort daran machte, die Wände und die Lichtverhältnisse zu prüfen, bevor er dann ein Bild nach dem anderen aufhängte. Wie anders es dort gleich aussah! Die Wohnung war nun in die bunte Welt von Abidin Dinos Bildern getaucht und von den seltsamsten Blumen und Weltraumgestalten bevölkert. In bläulichem Violett und Rosa schillerte das Marmara-Meer. »Jetzt kannst du hier wohnen«, erklärte er. Und das konnte ich dann tatsächlich.
    In der Woche darauf kam Maria Farantouri. Als ich ihr von meiner leeren Wohnung erzählte, meinte sie, auf Flohmärkten gäbe es doch oft schöne Sachen; ob wir es nicht einmal da versuchen sollten? So machten wir uns am Sonntag zu einem Flohmarkt auf. Dort gab es alle Arten von Antiquitäten, aber praktisch nichts, was der Erstaustattung einer Wohnung diente. Schließlich stach uns ein kunstvoll geschnitzter alter Toilettentisch ins Auge. Wegen seines Marmoraufsatzes war er ungeheuer schwer, was wir allerdings erst merkten, als wir ihn zum Auto eines Freundes trugen. Wir hievten ihn dann mühsam zu mir hoch, und als Ülker eine Woche später zurück nach Hause kam, fand sie eine Wohnung mit reich geschmückten Wänden und einem Toilettentisch als einzigem Möbelstück vor. Soweit mein Beitrag zu unserer Wohnungseinrichtung.
     
    Bei einem meiner Treffen mit Yılmaz Güney machte ich ihn mit Maria bekannt. Wir saßen in einem Restaurant in St.Germain-des-Prés, in das schon Nâzım Hikmet gerne gegangen war. Maria machte große Augen, als Yılmaz erwähnte, vor dem Lokal passten bewaffnete Männer auf ihn auf.
    Kurz darauf gewann Yol in Cannes die Goldene Palme, was einen gewaltigen Triumph bedeutete. Es war natürlich höchst erfreulich, dass die gesamte französische Presse daraufhin über Yılmaz Güney berichtete; betrüblich fand ich allerdings, dass Şerif Gören, der während Yılmaz Güneys Inhaftierung bei dem Film Regie geführt hatte, keinerlei Erwähnung fand.
    Die französischen Sozialisten, die mittlerweile an der Regierung waren, hielten damals zusammen mit der griechischen Regierungspartei PASOK auf der Ägäis-Insel Hydra eine gemeinsame Veranstaltung ab, zu der auch

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