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Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Titel: Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livaneli
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das Jahr 1968, und vom Prager Frühling und den Mai-Unruhen in Paris fühlten wir uns zutiefst mitbetroffen. Wir lebten in einer bedeutsamen Zeit.

 
    W   ir fuhren also nach Istanbul, um mit den dortigen Verlagen zu verhandeln. Unsere erste Unterredung fand mit Attila Tokatlı statt, dem Leiter des Gün-Verlags, dem wir mitteilten, in Ankara als Exklusivvertrieb fungieren zu wollen. Tokatlı, der sich als Übersetzer von Elsa Triolet und Aragon einen Namen gemacht hatte, war ein gewiefter Geschäftsmann, denn er erlegte uns auf, ihm von jedem Buch nicht weniger als 600 Exemplare abzunehmen, die wir noch dazu im Voraus zu bezahlen hatten. Wir hatten keinerlei realistische Vorstellung von den damaligen Verkaufszahlen in Ankara, und 600 erschien uns eher tief gegriffen. Wir wunderten uns vielmehr dass Tokatlı uns nicht mehr geben wollte. So unterzeichneten wir also den Vertrag und beglichen auch gleich die Rechnung für das erste Buch, nämlich Mohammed von Maxime Rodinson. Danach wurden wir auf ähnliche Weise mit anderen Verlagen handelseinig. Auf der Rückfahrt waren wir bester Dinge, vertraten wir doch nun in Ankara die größten Verlage der Türkei.
    Die Wahrheit trat schon kurz darauf zu Tage. 600 Exemplare waren für Ankara eine Riesenmenge. Manche Buchhändler kauften überhaupt keine neuen Bücher oder nahmen uns gerade mal eins oder zwei davon ab. Wir konnten es gar nicht fassen. Die aus Istanbul eintreffenden Lieferungen stapelten sich in unseren Regalen, und mit den Zahlungen gerieten wir immer mehr in Verzug. Schließlich handelten wir die Verlage auf realistischere Zahlen herunter und baten uns das Recht auf Rückgabe aus. Auf schmerzliche Weise hatten wir erfahren, wie traurig es um den Buchverkauf in der Türkei bestellt war. Ich vermochte mir keinen Reim darauf zu machen. Die Theater waren alle voll, an Demonstrationen nahmen Hundertausende von Leuten teil: Diese Menschen mussten doch Bücherleser sein? Oder stimmte mit dem Verlagswesen etwas nicht?
    So schlug ich Akay schon im ersten Jahr nach der Firmengründung vor, dass wir einen Verlag aufmachen und selbst ausgewählte Bücher herausbringen sollten. Somit würden wir unsere Mühe auf das verwenden, was uns wirklich am Herzen lag. Gesagt, getan, wir gründeten einen Verlag mit dem Namen »Ekim« (»Oktober«). Unser erstes Buch wurde Mexiko in Aufruhr, ein Bericht über den mexikanischen Bürgerkrieg von John Reed, dem Autor von Zehn Tage, die die Welt erschütterten . Der Künstler Ozan Sağdıç schuf einen besonders gestalteten Umschlag, und aneinandergereiht sollten die Bücher des Ekim-Verlags eine Serie ergeben.
    Damals wurde in der Türkei auf Buchumschläge noch keine besondere Sorgfalt verwendet, so dass unsere Bücher aus dem Angebot herausstachen. Wir achteten auch sehr auf die Qualität der Übersetzungen und hatten viele Zuarbeiter aus dem akademischen Milieu von Ankara. Ich abonnierte mehrere Buchmagazine wie etwa Publishers Weekly , um mich über das Geschehen auf dem internationalen Buchmarkt auf dem Laufenden zu halten.
    Nach Mexiko in Aufruhr veröffentlichten wir den grundlegenden Essay Sozialismus in Kuba von den Wirtschaftswissenschaftlern Leo Huberman und Paul Sweezy, den Herausgebern der bedeutenden Zeitschrift Monthly Review . Es folgte der Band Guerillakrieg und Marxismus , der anhand von Beispielen aus vielen Gegenden der Welt darlegte, inwiefern bewaffnete Bewegungen dem Marxismus eher schadeten. Angesichts der Tatsache, dass die Türkei damals an der Schwelle zu bewaffneten Auseinandersetzungen stand, erschien uns der Zeitpunkt für solch eine Veröffentlichung besonders opportun.
    Als Nächstes brachten wir Politische Schriften von Che Guevara heraus, in denen das Konzept des »neuen Menschen« und der »neuen Kultur« in Kuba dargelegt wurde. Monat für Monat riefen die von uns publizierten Bücher in der öffentlichen Meinung ein gewisses Echo hervor und wurden immer mehr gelesen, doch um unseren Verlag richtig bekanntzumachen und damit zu sichern, hätten wir einen ganz besonderen Hit gebraucht. Und den fanden wir eines Tages.
    Der pensonierte Luftwaffenoberst Haydar Tunçkanat, der zu den Putschisten des Jahres 1960 gehört hatte, schrieb einen Essay mit dem Titel »Die Hintergründe der bilateralen Verträge«, in dem er anhand von kommentierten Dokumenten erläuterte, inwiefern mit den USA geschlossene Geheimverträge die Geschehnisse in der Türkei beeinflusst hatten. Ich weiß nicht mehr, durch welchen Zufall

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