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Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Titel: Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livaneli
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schau doch mal, wer jetzt kommt.«
    Er drückte auf einen Knopf, und kurz danach brachten zwei Polizisten Osman herein. Sein rundes Gesicht war ganz rot, und er traute sich nicht, mir in die Augen zu schauen. Mit gesenktem Kopf stand er da, als wollte er sich vor Schlägen ducken.
    Kommissar Fevzi fragte ihn: »Wem gehören die Bücher?«
    Ohne den Kopf zu heben, deutete Osman auf mich und sagte: »Dem da.«
    »Und er hat dir auch gesagt, du sollst sie verstecken?«
    »Ja, er und seine Freunde. Ich soll sie vergraben, haben sie gesagt.«
    »Und wie heißen diese Freunde?«
    »Akay Sayılır und Alp Öktem.«
    Wenn es so weiterging, würden wir alle auffliegen. Ich dachte fieberhaft nach, was zu tun sei.
    »Hörst du, was Osman sagt?«, fragte der Kommissar.
    »Wenn Sie die Bücher bei ihm gefunden haben«, versetzte ich, »dann werden sie wohl ihm gehören. Warum fragen Sie mich danach?«
    Kommissar Fevzi legte mir die Hand auf die Schulter. »Pass mal auf, da sind alle möglichen Bücher auf Englisch und auf Französisch dabei. Du willst mir doch nicht weismachen, dass der da sie liest? Na los, sag uns endlich die Wahrheit, dann hast du’s hinter dir!«
    Leugnen hatte wohl keinen Zweck mehr. Wenn ich noch weiter log, brachte ich damit Akay und Alp erst recht in Gefahr. Also begann ich einen Rückzug in Etappen.
    »Ich habe die Bücher ja gar nicht aus der Nähe gesehen. Sie haben nur auf die vielen Stapel im Korridor gezeigt und mich gefragt, ob die mir gehören.«
    Der Kommissar lächelte verständnisvoll. Da ich im Begriff war zu gestehen, half er mir, nicht das Gesicht zu verlieren. Wir gingen in den Korridor hinaus, und ich sah mir die Bücher an. Ich nahm ein paar der herrlich duftenden Bände in die Hand. Ich wusste, dass ich sie nie wiedersehen würde.
    »Ja, das sind meine Bücher.«
    Am Nachmittag wurden sie auf einen Lastwagen geladen. Mich steckte man in ein Polizeiauto, und wir fuhren dem LKW nach bis zum Justizpalast. Die wundervollen Bände, die in zivilisierten Ländern Bücherregale geschmückt hätten, wurden im Justizgebäude auf den mit Zigarettenkippen übersäten Fußboden geworfen. Und ich wurde wieder ins Verhör genommen.
    Aus unseren literarischen Aktivitäten, die wir wie ein Spiel betrieben hatten, war blutiger Ernst geworden. Zum Glück hatte ich es aber mit einem verständnisvollen Untersuchungsrichter zu tun. Er erkundigte sich nach meinem Vater und meinen Onkeln und hielt es wohl für unangemessen, jemanden einzusperren, dessen Familie im Dienste der Justiz schon so viel geleistet hatte, so dass er meine Freilassung anordnete. Ganz unvermutet durfte ich also gehen, während für die Bücher keine Hoffnung mehr bestand.
    Meiner Tochter Aylin war erklärt worden, der Papa sei in Istanbul, wegen seiner Arbeit. Sie würde noch ein paarmal erleben müssen, dass ihr Vater eine Zeitlang verschwand.
    Unter den herrschenden Umständen konnte der Ekim-Verlag seine Arbeit unmöglich fortführen. Wir waren dabei gewesen, ausgewählte Werke von Marx und Engels herauszugeben, Tausende von Seiten in Großformat, stellten aber nun sämtliche Projekte sang- und klanglos ein. Dennoch wollten wir nicht einfach aufgeben. Was also tun? Wir diskutierten tagelang hin und her.
    Schließlich beschlossen wir, einen neuen Verlag zu gründen, um Avantgarde-Literatur herauszubringen. Er sollte »Babil« heißen und offiziell nicht mehr von uns, sondern von meinem Bruder Asım geleitet werden, da wir ja bereits vorbelastet waren. Es gelang uns auch, eine ganze Reihe interessanter Bücher mit künstlerisch gestalteten Einbänden zu veröffentlichen, darunter das erste von John Updike. Nach einer Weile kam natürlich heraus, wer hinter dem neuen Verlag steckte, und es wurden uns neue Steine in den Weg gelegt; etwa kamen in die Provinz abgehende Büchersendungen nie an ihrem Bestimmungsort an. Wir verlegten uns darauf, die Bücher portionsweise unter falschem Namen zu verschicken, noch dazu von abgelegenen Postämtern aus. Und bestimmte Bücher, vor allem die von Henry Miller, brachten uns Prozesse ein.
    Von Freunden vermittelt, kam uns eines Tages ein norwegischer Journalist namens Olof Storvik besuchen. Er wollte sich mit mir über antidemokratische Tendenzen in der Türkei unterhalten und fragte mich nach den Bedingungen in der Untersuchungshaft aus. Zum Abschluss sang ich ihm ein paar Lieder vor, in denen sich der beginnende Widerstand gegen das Putschregime manifestierte. Olof Storvik zeigte sich davon sehr

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