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Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Titel: Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livaneli
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des Landes einen künstlichen Feind zu schaffen, machte sich Griechenland Tag und Nacht auf einen türkischen Überfall gefasst. Leider ließ sich ein Großteil der griechischen Intellektuellen davon anstecken und gab die Opposition gegenüber der Türkeipolitik der Regierung allmählich auf.
    Die ersten Anzeichen für diese Haltung ließ der PASOK -Vorsitzende schon in Marseille erkennen. Als nach der Musikvorführung auch noch der zypriotische Politiker Lyssarides eine flammende Rede gegen die Türkei hielt, steckten wir Türken wieder die Köpfe zusammen und berieten, wie wir reagieren sollten. Mümtaz Soysal war zu Recht dafür, gegen die Rede Protest einzulegen. Allerdings waren wir auf der Veranstaltung als Künstler beziehungsweise Wissenschaftler und nicht als Politiker und somit für derlei Stellungnahmen eigentlich nicht zuständig.
    Schließlich wurde Jack Lang mit einbezogen, der daraufhin zu Mitterrand ging und ihm etwas zuflüsterte. Mitterrand notierte etwas auf ein Stück Papier und ließ dieses Papandreou zukommen. Wir beobachteten gemeinsam, wie Papandreou beim Lesen des Papiers ein langes Gesicht zog. Mitterrands Warnung trug ihre Früchte, denn als Papandreou mit seiner Rede an der Reihe war, verlor er über die Türkei und Zypern kein Wort.
    François Mitterrand ging dann in seinem Beitrag auf Lyssarides ein und sagte: »Vorhin sind an diesem Pult ziemlich unglückliche Worte gefallen. Die Türkei wird hier nicht von Politikern vertreten, sondern von Intellektuellen, die darauf keine Antwort geben können, und deshalb halte ich jene Rede für unangebracht.«
    Somit kam wieder alles ins Lot. Wir allerdings befanden uns in der seltsamen Lage, dass wir auf einer internationalen Veranstaltung die Ehre unseres Landes verteidigten und dabei nicht einmal wussten, ob wir dorthin zurückkehren konnten. Einige von uns galten den neuen Machthabern als Landesverräter.
    Auf dem Flug nach Paris sprachen wir darüber. Die einen waren für eine sofortige Rückkehr, die anderen für Abwarten. Mümtaz Soysal sagte: »Also ich muss zurück. Es kann zehn Jahre dauern, bis sich das alles wieder einrenkt; so lange kann ich nicht im Ausland bleiben. Außerdem habe ich in Zypern Verpflichtungen. Denen komme ich nach; der Rest ist deren Sache.«
    Aziz Nesin beschloss, eine Weile bei seinem Sohn in Paris zu bleiben, und Çetin Altan optierte ebenfalls für Paris. Yaşar Kemal und ich entschieden uns für Stockholm.
    Die Generäle, die ihre Pressekonferenzen zu den Klängen der Schicksalssinfonie abhielten, griffen in unser aller Leben ein.

 
    D   er Putsch vom 12. September 1980 war ein harter Schlag für uns, denn er war gleichbedeutend mit einer Rückkehr ins Exil. Aylin würde nicht mehr in Istanbul zur Schule gehen können, und überhaupt war alles, was wir uns in den letzten Jahren aufgebaut hatten, wieder dahin.
    Es blieb uns nichts übrig, als gesenkten Hauptes wieder nach Schweden zu gehen. Das fiel uns unheimlich schwer. Wieder mussten wir eine Wohnung finden, mussten uns Sachen besorgen, uns in ein neues Leben finden. Dazu war auch Geld nötig, und das war wieder einmal knapp. In der Türkei die Bestsellerliste anzuführen hatte uns gerade zum Leben gereicht. Mit dem Vorschuss für Das Lied des Reiters hatte ich eine kleine Wohnung angezahlt. Aus eigenem Antrieb hätte ich dergleichen nie gewagt, aber Freunde hatten uns dringend dazu geraten. Vor dem Eingang des Neubaus war noch alles matschig, aber da es unsere erste eigene Wohnung war, kam sie uns vor wie ein Schloss. Die Bauarbeiten hatten sich immer wieder verzögert, und schließlich hatten wir es nicht erwarten können und waren in die halbfertige Wohnung eingezogen, wo wir erst einmal alle Wände strichen. Ein großer Vorteil war auch, dass die rückwärtigen Fenster und der Balkon auf einen Garten und dahinter auf eine endlose Grünfläche hinausgingen. Eine Woche nach unserem Einzug war ich nach Deutschland und Frankreich verreist. Ich hatte eine einwöchige Abwesenheit veranschlagt; es wurden vier Jahre daraus.
    Da hatte ich zum ersten Mal ein mietfreies Leben genießen wollen, doch vergebens. Seit Anfang 20 war ich quasi selbständig und bezog von nirgendwoher ein Gehalt. Wo ich auch gelebt hatte, war ich immer in Sorge gewesen, ob ich am Monatsende meine Miete bezahlen konnte, und gerade als ich dachte, dieses Problem überwunden zu haben, fing alles wieder von vorne an. Nach mühsamer Suche fanden wir schließlich in Solna in der Nähe von

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