Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)
Arbeitsbedingungen, die mir im eigenen Land verwehrt waren, fand ich dafür in Griechenland vor, wo ich Konzerte gab und durch gemeinsame Fernsehauftritte mit Maria Farantouri immer bekannter wurde. Wir flogen oft dorthin, um dem langen und ungemütlichen schwedischen Winter Momente voller Mittelmeerwärme abzutrotzen. Dabei wohnten wir jeweils in Marias weißer Villa in Ekali und badeten an heißen Tagen im Swimmingpool.
Eines Tages machte Makis Matsas, der Chef von Minos, der größten griechischen Plattenfirma, Maria und mir das Angebot, eine gemeinsame Platte aufzunehmen, für die er in Griechenland und Westeuropa einen Markt sah. Erfreut machten wir uns an die Arbeit und wählten aus Hunderten meiner Lieder zwölf Titel aus.
Da Maria die Lieder auf Griechisch singen sollte, mussten die Texte so übersetzt werden, dass sie rhythmisch passten. Daran arbeiteten wir zunächst mit einigen türkischsprachigen Griechen, aber ohne rechten Erfolg, da die beiden Sprachen völlig verschieden strukturiert sind und deshalb Silben, die einer Betonung bedurften, in der Übersetzung im luftleeren Raum hingen.
Damals wurde mir erst bewusst, wie bedeutend die Syntax einer Sprache für die Musik jenes Landes ist. Die türkische Musik passt zum Türkischen und die griechische Musik zum Griechischen. Durch die Vielzahl der einsilbigen Wörter im Englischen konnten sich Musikformen wie Rock, Disco und Rap entwickeln, deren Transfer ins Türkische, Französische oder Arabische oft unfreiwillige Komik hervorruft. Wenn schon zwischen zwei Ländern mit ähnlicher musikalischer Tradition solche Schwierigkeiten auftreten, wie muss es da erst um die Übersetzung aus einander fernen Kulturen bestellt sein!
Schließlich fanden wir eine Lösung. Wir erläuterten dem griechischen Dichter Lefteris Papadopoulos den Inhalt der Stücke und ließen ihn auf die Musik neue Texte schreiben. Dies nahm einige Zeit in Anspruch, aber schließlich war es soweit, dass wir im Athener Polysound-Studio Aufnahmetage reservieren konnten. Ich wollte eine bestimmte Klangfarbe erzielen und ganz auf elektronische Effekte verzichten. Maria schlug mir einige griechische Musiker aus der Jazz-Szene vor, und ich ließ aus der Türkei einen Ney-Spieler und aus Stockholm meinen Bruder Ferhat kommen.
Die Musiker sollten nicht wie üblich einzeln an verschiedenen Tagen ihre Partitur einspielen, sondern immer gemeinsam im Studio sein. Die Aufnahmen zogen sich jeweils bis in die Abendstunden hin. Morgens war offizieller Beginn um zehn Uhr, und wir drei Türken waren immer pünktlich zur Stelle, doch während der einmonatigen Zusammenarbeit erlebten wir kein einziges Mal, dass auch die griechischen Kollegen rechtzeitig gekommen wären. Das Zeitgefühl war das, was Türken und Griechen am meisten voneinander unterschied. Uns war es gar nicht recht, dass die Mittagessen drei Stunden dauerten und wir uns zum Abendessen erst um elf Uhr hinsetzten. Neben den Griechen kamen wir uns vor wie die Deutschen des Mittelmeers.
Nach der Orchesteraufnahme war der Gesang an der Reihe. Maria sollte auf einem Großteil der Platte solo singen und ich sie nur bei einigen Stücken begleiten. Ich sah mich nämlich nicht als Sänger, sondern als Komponist, der seine Stücke auch interpretiert. In der Türkei existierte eine solche Kategorie nicht. In Griechenland verhielt es sich ganz anders, und sogar Taxifahrer kannten mich als Komponisten. Dass ich auch sang, änderte daran nichts.
In der Türkei kann ich immer nur schwer vermitteln, dass man die von Komponisten wie Bob Dylan, Jacques Brel, Mikis Theodorakis oder Georges Brassens gesungenen Lieder nicht mit deren Interpretation durch andere Sänger verwechseln darf. Einem Komponisten kommt es darauf an, ob er eine ihm gemäße Atmosphäre schaffen kann und ob er eine besondere, unverwechselbare Art des Singens hat. Deshalb höre ich mir gerne auch Lieder vom Komponisten selbst gesungen an.
I ch wollte, dass Maria ein Lied auf Türkisch singt, und so machte ich mich daran, ihr das Lied vom Buchenwäldchen beizubringen. Da im Griechischen bestimmte Laute nicht vorhanden sind, tat sie sich mit der Aussprache zunächst nicht gerade leicht, aber ihr musikalisches Gehör half ihr über diese Schwierigkeiten hinweg. Für die Plattenhülle wählten wir ein Foto des Istanbuler Stadtteils Fener. Auf der Innenseite des Covers waren die Süleymaniye-Moschee und sechs nebeneinander vor Anker liegende Istanbuler Stadtdampfer abgebildet. Die Platte
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