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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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die Seite, auf denen mein ganzes Gewicht lastet, sind müde, sind eingeschlafen und kribbeln, wünschen sich einen Wechsel. Ich sammle meine Willenskraft, will mich bewegen, umdrehen, anders hinsetzen, auf die andere Seite, aber der Körper ist furchtsam, eingefroren, gefesselt, so als genüge nur eine Bewegung, und alles stürze donnernd zusammen. Der Wunsch, diese furchtsame Versteinerung zu durchbrechen, zu zerstören, und die gleichzeitige Unfähigkeit, das zu tun, lassen in mir Ärger aufkeimen. Aber der Ärger ist stumm, sitzt tief in mir, kann sich nirgends entladen und wächst.
    «Unser Wadim ist schon völlig zugekokst .» Das sagt Mik. Dann vergeht etwas Zeit, während der, ich weiß es, alle auf mich schauen. Ich sitze versteinert, drehe nicht den Kopf. In meinem Hals noch immer dieses Gefühl: Wenn ich den Kopf drehe, werfe ich das Zimmer um. «Er ist ganz und gar nicht zugekokst. Die Wirkung lässt nach, man muss ihm schnell noch eine Prise geben .» Das sagt Nelli.
    Mik nähert sich. Ich höre, wie er über meinem Ohr das Pulver auswickelt, aber sehe nicht hin. Wende mich ab, senke den Blick, tue alles, nur damit er meine Augen nicht sieht. Ich ängstige mich davor, sie zu zeigen. Ein neues Gefühl. In dieser Angst, die Augen zu zeigen, liegt nicht Scham, nicht Schüchternheit, nein – es ist die Angst vor der Erniedrigung, der Schande und noch etwas anderem, Entsetzlichem, die meine Augen gerade preisgeben. Ich fühle den Zahnstocher unter dem Nasenloch und atme ein. Dann noch einmal.
    Ich möchte mich bedanken, aber die Stimme versagt. «Ich danke Ihnen » , sage ich endlich, aber bevor ich diese Worte sagen kann, huste ich heftig, hole so die Stimme zurück. Aber es ist nicht meine Stimme. Eher etwas Klangloses, fröhlich Schweres, zwischen zusammengebissenen Zähnen.
    Mik steht noch immer neben mir. «Vielleicht haben Sie ein Bedürfnis ?» , fragt er. Ich nicke, fühle, dass die Bewegungen schon leichter fallen, sich gelöst haben. Der stumme Ärger ist verschwunden, dafür wieder Anzeichen von Freude.
    Mik nimmt mich am Arm, ich stehe auf, laufe. Zunächst fällt es etwas schwer. In den Beinen steckt mir die Furcht auszurutschen, umzufallen, wie ein völlig durchgefrorener Mensch, der Glatteis betritt. Im Flur überfällt mich elend der Schüttelfrost.
    Auf dem Weg durch den Flur zum Abort bemerke ich einen starken Geruch nach Kohl und anderem Essbaren. Beim Gedanken an Essen fühle ich Widerwillen, aber Widerwillen besonderer Art. Es ekelt mich vor dem Essen, aber nicht, weil ich satt bin, sondern seelisch erschüttert. Mein Hals scheint mir derart zugeschnürt und zart, dass selbst das kleinste Stück Essen dort stecken bleiben oder ihn zerreißen müsste.
    Auf dem Klavier bei Mik steht ein Glas Wasser. «Trinken Sie » , auch er spricht durch die Zähne und verbirgt seine Augen, «dann wird es noch besser .» Ich strenge mich an, will schnell machen, aber meine Hand bewegt sich nur langsam, sehr langsam, irgendwie scheu und gebogen zum Glas. Zunge und Gaumen sind so hart und trocken, dass das Wasser sie nicht befeuchtet, sondern nur kühlt. Beim Schlucken empfinde ich auch dem Wasser gegenüber Widerwillen, ich trinke es wie Medizin. «Das Beste ist schwarzer Kaffee » , sagt Mik, «aber wir haben keinen. Rauchen Sie, das ist auch gut .» Ich zünde mir eine Zigarette an.
    Jedes Mal, wenn ich die Zigarette zum Mund führe, ertappe ich die Lippen bei einer unaufhörlichen saugenden Bewegung. In ihr, dieser Bewegung, entlädt sich das unerträgliche Übermaß meines Genusses. Ich weiß, dass ich mich zurückhalten könnte, wenn ich es müsste, aber das wäre so unnatürlich, wie bei einem schnellen Lauf die Arme an den Körper zu pressen.
    Ob es vom Wasser kommt, von der Zigarette oder den letzten Prisen des zur Neige gehenden Kokains, jedenfalls spüre ich, dass mein ängstlicher, eiskalter, zermürbter Körper – sicher werfe ich etwas um, stoße es zu Boden – , dass die durchgefrorenen Beine, die sich über den Boden schieben wie über Eis, dass mein ganzer, merkwürdiger, krankheitsähnlicher Zustand – dass all das nur eine bedauernswerte Hülle ist, die einen leise brausenden Jubel umschließt.
    Ich gehe zum Tisch. Während ich einen Schritt mache, das Knie beuge und in mühsamer Angst den Fuß wieder aufsetze, erscheint mir meine Bewegung so quälend lang, als würde sie niemals enden. Habe ich den Schritt dann aber gemacht und ist die Bewegung getan, dann erscheint sie, diese

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