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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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Ereignis zu bewirken; er tut dies aber nicht um des Ereignisses willen, sondern einzig und allein, um das Abbild dieses Ereignisses im eigenen Bewusstsein zu verspüren . Wenn man dazu noch bedenkt, dass der Mensch nur solcherart Ereignisse zu bewirken sucht, die, wenn sie in seinem Bewusstsein abgebildet werden, ein Gefühl von Freude und Glück bei ihm auslösen, dann tritt der ganze Mechanismus offen zutage, der schlechterdings jeden Menschen im Leben antreibt, und das ganz unabhängig davon, ob dieser Mensch böse und unbarmherzig ist oder liebenswürdig und gut.
    Anders ausgedrückt: Wenn der eine versucht, die zaristische Regierung zu stürzen, der andere dagegen die revolutionäre, wenn der eine reich werden, der andere dagegen seine Reichtümer an die Armen verteilen möchte, dann zeigen uns diese einander entgegengesetzten Bestrebungen lediglich, wie groß die Vielfalt menschlicher Aktivitäten ist, was im besten Falle (beileibe nicht immer) etwas über die Persönlichkeit im Speziellen aussagen kann; wie verschiedenartig die Aktivitäten der Menschen jedoch sein mögen, die Motivation , die ihnen zugrunde liegt, ist immer dieselbe :Es ist das Bedürfnis, in der Welt, die einen umgibt, solcherart Ereignisse zu bewirken, die, einmal im Bewusstsein abgebildet, ein Glücksgefühl auslösen .
    So war es auch in meinem kleinen Leben. Der Weg zum äußeren Ereignis war vorgezeichnet: Ich wollte ein berühmter Rechtsanwalt werden und ein reicher Mann. Es sah so aus, als bräuchte ich diesem Weg nur immer zu folgen, zumal – wie ich mir selbst einredete – viele Dinge durchaus günstig für mich standen. Aber es war seltsam: Je weiter ich mich auf diesem Weg zum heiß ersehnten Ziel vorkämpfte, desto öfter kam es vor, dass ich mich im dunklen Zimmer aufs Sofa legte und mir ausmalte, ich sei jetzt schon derjenige, der ich werden wollte; meine Faulheit und mein Hang zur Träumerei sagten mir instinktiv, dass es sich nicht lohnt, für die Verwirklichung all dieser äußeren Ereignisse eine so gewaltige Menge an Zeit und Arbeit zu investieren; und wenn es nur deshalb wäre, weil das Glücksgefühl umso stärker ausfällt, je früher und unverhoffter die Ereignisse eintreten, die es auslösen.
    Aber die Macht der Gewohnheit war schon so stark, dass ich sogar, wenn ich von meinem Glück träumte, nicht zuerst an das Glücks gefühl dachte, sondern an das Ereignis , das (träte es ein) dieses Gefühl in mir auslösen würde, und nicht in der Lage war, diese beiden Elemente voneinander zu trennen. Selbst wenn ich vor mich hin träumte, musste ich mir erst irgendein bemerkenswertes Ereignis in meinem zukünftigen Leben ausmalen, bevor ich mittels der bildlichen Vorstellung von diesem Ereignis ein freudiges Glücks gefühl in mir hervorkitzeln konnte.
    Es war nämlich so, dass ich vor meiner Bekanntschaft mit dem Kokain fälschlicherweise angenommen hatte, Glück wäre etwas Ganzheitliches , während doch in Wirklichkeit jedes menschliche Glück aus einer äußerst raffinierten Verbindung zweier Elemente besteht: erstens dem physischen Glücksgefühl und zweitens dem äußeren Ereignis, das der psychische Auslöser dieses Gefühls ist.
    Und erst in dem Moment, als ich zum ersten Mal Kokain probierte, wurde es mir klar. Mir wurde klar, dass ich dieses äußere Ereignis , das zu erlangen das Ziel meiner Träume ist, für das ich mich abmühe und mein ganzes Leben vergeude und das ich letzten Endes vielleicht gar nicht erreichen werde – dass ich dieses Ereignis nur deshalb brauche, weil es, in meinem Bewusstsein abgebildet, in mir ein Gefühl von Glück hervorrufen wird. Und wenn – wovon ich mich überzeugen konnte – eine winzig kleine Prise Kokain so viel Macht hat, dass sie in meinem Körper im Handumdrehen dieses Glücks gefühl hervorruft, und zwar in einer nie zuvor gekannten Intensität, so besteht absolut keine Notwendigkeit mehr für ein Ereignis jeglicher Art, und folgerichtig verlieren Mühe, Kraft und Zeit, die man aufbieten muss, um das Ereignis zu bewirken, ihren Sinn.
    Dass das Kokain die Fähigkeit hatte, ein physisches Glücksgefühl hervorzurufen, ohne dass ich psychisch von den äußeren Ereignissen um mich herum abhängig war – und das selbst dann, wenn das Abbild dieser Ereignisse in meinem Bewusstsein eigentlich Schwermut, Verzweiflung und Kummer hätte auslösen müssen – , genau das war es, was dem Kokain seine schreckliche Anziehungskraft verlieh, der ich nicht widerstehen noch entsagen

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