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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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konnte, mehr noch: Ich wollte es nicht einmal.
    Nur in einem Falle hätte ich dem Kokain zu widerstehen und entsagen vermocht: wenn das Glücksgefühl in mir weniger durch das äußere Ereignis ausgelöst worden wäre als vielmehr durch die Arbeit, das Streben, die Mühe, die ich aufbringen musste, um das Ereignis zu bewirken. Aber so etwas gab es in meinem Leben nicht.

3
    Selbstverständlich darf alles, was hier bislang über das Kokain gesagt wurde, keinesfalls als allgemeingültige Charakteristik dieses Gifts verstanden werden, sondern lediglich als die Ansicht eines Menschen, der gerade erst mit dem Schnupfen begonnen hat. Diesem kommt es wirklich so vor, als läge die wesentliche Eigenschaft des Kokains in dessen Fähigkeit, ein Glücksgefühl hervorzurufen; genauso wie die Maus, bevor sie in die Falle gegangen ist, davon überzeugt ist, dass die wesentliche Eigenschaft der Mausefalle das Stück Speck ist, das sie fressen möchte.
    Das Grauenvollste am Kokain war das, was auf den viele Stunden währenden Kokainrausch zwangsläufig folgte: die qualvolle, unabwendbare, schreckliche Reaktion (oder, wie die Mediziner sagen, Depression ), die sich meiner sofort bemächtigte, kaum dass das letzte Pulver aufgebraucht war. Diese Reaktion hielt lange an, in Stunden gemessen, dauerte sie wohl drei, manchmal vier Stunden, und sie äußerte sich in einer derart düsteren, derart unermesslichen Schwermut, dass mein Verstand zwar begriff, dass alles in ein paar Stunden verfliegen und vorbei sein würde, mein Gefühl jedoch nicht daran glaubte.
    Je stärker das Gefühl, das sich eines Menschen bemächtigt, umso weniger ist er bekanntlich fähig zur Selbstkontrolle. Wenn ich unter Einfluss des Kokains stand, waren die Gefühle, die es hervorrief, so übermächtig, dass meine Fähigkeit zur Selbstkontrolle derart nachließ, wie man es sonst nur bei einigen Geisteskranken beobachten kann. So gab es nichts, was die Gefühle, die mich während des Kokainrauschs beherrschten, zurückhalten konnte; sie drängten ganz nach außen, in der allerreinsten Offenherzigkeit, offenbarten sich in Gesten, im Mienenspiel und in allem, was ich tat. Im Kokainrausch nahm mein fühlendes Ich solch gewaltige Ausmaße an, dass mein selbstkontrollierendes Ich seine Arbeit einstellte. Kaum aber war das Kokain zu Ende, kam das Grauen. Dieses Grauen äußerte sich darin, dass ich anfing, mich zu sehen – als den, der ich im Kokainrausch war. Schreckliche Stunden begannen. Der Körper fiel schwer in sich zusammen, ob der unsäglichen, wie aus dem Nichts aufgetauchten Schwermut bohrten sich die Fingernägel in böser Verzweiflung in die Handflächen, das Gedächtnis spuckte wie ein Erbrechender alles wieder aus – und ich sah hin, unfähig, mich diesen schaurigen Bildern meiner Schmach zu entziehen.
    Bis ins kleinste Detail stand alles wieder vor mir. Da stehe ich wie erstarrt an der Tür dieses stillen Zimmers im nächtlichen Kokainrausch, getrieben von der idiotischen, aber unbezwingbaren Furcht, dass im nächsten Augenblick jemand erscheint, hereinkommt und meine schrecklichen Augen sieht. Oder ich schleiche mich, was Stunden zu dauern scheint, ans nachtdunkle Fenster, an dem das Rouleau nicht heruntergelassen ist und durch das, kaum drehe ich ihm den Rücken zu, jemand grausig hereinblickt, dabei weiß ich doch, dass das Fenster im ersten Stock ist. Oder ich lösche die Lampe, die mit ihrem unsäglich grellen Licht stört wie ein Geräusch, das die Leute herbeilaufen lässt, und schon bilde ich mir ein, jemand käme durch den Korridor geschlichen zu meiner so dünnen, zerbrechlichen Tür. Oder ich liege auf dem Sofa, den Hals angespannt, den Kopf in der Luft, ganz als würde bei der kleinsten Berührung des Kopfkissens ein Lärm losgehen, der das ganze Haus aus den Betten reißt; und auch die Augen schmerzen vor Anspannung, weil sie auf etwas Spitzes zu stoßen fürchten, sie starren in die rote, in die zitternde Dunkelheit. Oder ich versuche in der Dunkelheit ein Streichholz anzuzünden, das die vom Schüttelfrost schweißkalte, steife Hand so ängstlich gegen die Schachtel reibt, dass es einfach nicht angehen will, und wenn es endlich mit einem lang gezogenen Zischen aufflammt, springt der Körper panisch zurück, und das Streichholz landet auf dem Sofa. Und alle zehn Minuten brauche ich eine neue Prise, und die über Nacht dünn gewordenen, zitternden Hände kratzen das Kokain vom Papier – das irgendwo gleich hier auf dem Sofa liegt, aber in der

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