Roman mit Kokain (German Edition)
Dunkelheit nicht zu sehen ist – auf das stumpfe Ende der Stahlfeder; aber wenn diese Feder (in der Dunkelheit mit wackliger Hand angehoben) schon direkt unter dem Nasenloch zitternd in der Luft schwebt, so lässt es sich nicht einsaugen, und kein Kokain gelangt in die Nase, weil die Feder vom letzten Mal feucht und das Kokain daran angepappt ist, es dort verkrustet ist und säuerliche Rostspuren hinterlassen hat. Dann wird es hell, und die Gegenstände sind immer deutlicher zu erkennen, was die Muskeln aber in keiner Weise löst, sondern im Gegenteil zu einer noch größeren Verkrampfung der Bewegungen und des ganzen Körpers führt, der sich bereits nach der Dunkelheit zurücksehnt, die ihn verborgen, wie eine Decke eingehüllt hat – jetzt, da Gesicht und Augen wieder den Blicken ausgesetzt werden müssen auf der großen weiten Welt. Oder die unzähligen Male, wo ich Harndrang verspüre, und es geht nicht anders, ich muss die furchtsame Verkrampftheit des Körpers überwinden und gleich hier im Zimmer auf den Topf gehen, ich verursache ein monströses Geräusch, das, so kommt es mir vor, im ganzen Haus zu hören ist, was mich die aufeinandergepressten, eisigen Zähne fletschen lässt, und dann krieche ich, gebadet in klebrigem, ungewohnt scharf riechendem, stinkendem Schweiß, von Kälteschauern elendiglich geschüttelt, in der Dunkelheit aufs Sofa wie auf einen Eisberg, um dort vielleicht, das Knie auf der knarzenden Sprungfeder, erschrocken zu verharren bis zum nächsten Harndrang. Weiter der Morgen, das Ablecken der rostigen Feder, der plötzliche Höhenflug von einer frischen Prise von einer neuen Ration, leichtes Schwindelgefühl und genüssliche Übelkeit, und Grauen angesichts der ersten Geräusche von außen, da das Haus zum Leben erwacht. Schließlich ein Klopfen an der Tür – bedächtig, aber hartnäckig – und mein Husten, der den verschwitzten, aufs Sofa gekrochenen Körper durchschüttelt und den ich brauche, um meine feststeckende Stimme hervorzuholen; dann meine durch die Zähne gepresste Stimme, vor Glück bebend (trotz des Schreckens): «Wer ist da, was wollen Sie, wer ist da ?» , und wieder das Klopfen, hartnäckig, unbeirrt, unerbittlich, und plötzlich – plötzlich wechselt dieses Klopfen blitzartig an einen anderen Ort, weil hinterm Fenster jemand Holz hackt.
Kaum war das Kokain zu Ende, kamen jedes Mal diese Visionen hoch, begann die Rückschau in Bildern: Ich sah mich, wie ich gewesen war, wie ich ausgesehen und wie seltsam ich mich benommen hatte, und angesichts dieser Bilder wuchs in mir immer mehr die Überzeugung, dass ich schon sehr bald – wenn nicht morgen, dann übermorgen, wenn nicht in einem Monat, so doch in einem Jahr – im Irrenhaus landen würde. Mit jedem Mal erhöhte ich die Dosis, brachte es nicht selten schon auf dreieinhalb Gramm, wodurch ich die berauschende Wirkung auf etwa siebenundzwanzig Stunden ausdehnen konnte; aber weil ich einerseits so unersättlich war und andererseits die grauenvollen Stunden der Melancholie hinauszuzögern suchte, wurden jene nach dem Kokain aufkommenden Erinnerungen jedes Mal nur umso schauriger. War es die erhöhte Dosis oder mein vom Gift angeschlagener Körper oder beides, was dazu führte – jedenfalls wurde die Hülle, die mein Kokainglück nach außen beförderte, immer grauenvoller und grauenvoller. Seltsame Manien überkamen mich bereits eine Stunde nachdem ich mit dem Schnupfen begonnen hatte: Es konnte ein Suchzwang sein, wenn beispielsweise die Streichholzschachtel leer war und ich mich nach Streichhölzern umsah, dabei die Möbel zur Seite rückte und die Schreibtischschubladen auf den Boden leerte, obwohl ich ganz genau wusste, dass es keine Streichhölzer im Zimmer gab, was mich aber nicht daran hinderte, meine Suche ohne Unterbrechung über viele Stunden hinweg genüsslich fortzusetzen; es konnte irgendeine düstere, wahnhafte Angst sein, die dadurch noch grauenvoller wurde, dass ich selbst nicht wusste, wovor oder vor wem ich Angst hatte, und dann kauerte ich viele Stunden lang in panischem Entsetzen neben der Tür, innerlich zerrissen, weil es mich einerseits unerträglich nach einer frischen Prise vom Kokain verlangte, das ich auf dem Sofa hatte liegen lassen, es andererseits aber schrecklich gefährlich war, die Tür, an der ich wachte, auch nur für einen kurzen Augenblick unbeaufsichtigt zu lassen. Manchmal wiederum, und in letzter Zeit kam das häufig vor, überfielen mich all diese Wahnvorstellungen
Weitere Kostenlose Bücher