Roman mit Kokain (German Edition)
lange und heiser Schleim aus. Während er stehen blieb und hustete, blickten seine Augen auf den Schnee, als würden sie dort etwas Furchtbares sehen. Jedes Mal, wenn er etwas Grünes aushustete, musste ich schlucken, ich stellte mir vor, zu schlucken, was er auswirft. Niemals hätte ich gedacht, dass ein Mensch, dass alle Leute mir solch übermäßigen Ekel einflößen könnten, wie ich ihn an diesem Morgen empfand.
An der Ecke zerrte der Wind an den Plakaten der Litfaßsäule. Als ich in ihren Schattenbalken trat, rannte ein Mädchen vor einem mit seinen Ketten rasselnden Lastwagen vorbei über die Straße. Auf der anderen Seite stand die Mutter, sichtbar in Angst erstarrt, aber als das Kind unversehrt zu ihr gerannt kam, griff sie es fest am Arm und schlug es. Das Kind heulte, die Augen wie Schlitze und den Mund zu einem Viereck verzerrt. Es war ganz klar: Die Mutter rächte sich übel an ihrem Kind für die Angst, die sie wegen ihm durchstehen musste. Aber wenn das – die Mutter – schon das Beste ist, womit die Menschheit sich brüstet,wie sind dann erst die anderen?
Draußen war es nun heller geworden und bereits Morgen, als ich nach Hause kam und den Hof betrat. Auf dem Weg war gerade hellgelber Sand gestreut worden, in den jemand mit neuen Galoschen pockenartige Spuren eingedrückt hatte. Der kleine «Herrengarten » war vernachlässigt und schmutzig. Der Schnee aus dem ganzen Hof war dort aufgetürmt worden, weswegen der Garten sich über den Hof erhob, die Bäume hatten sich verkürzt. In diesem Schnee lagen unordentlich nasse, schwarze Bretter, und nur mit Mühe konnte man darin die in den Schneewehen ertrinkenden Lehnen der Bänke wiedererkennen.
Matwej putzte mit Kreide den Türgriff, mit der freien Hand fuchtelte er genauso wie mit der arbeitenden, aber als ich näher kam, klingelte das Telefon, und er rannte in die Kabine. Ich ging die Treppe hinauf und öffnete die Tür. Ich warf die Mütze auf die Ablage des Wandspiegels, was den Esstisch mit dem noch vom Vorabend stehen gebliebenen Samowar zum Schaukeln brachte, und bemühte mich, leise zu gehen, lief den Korridor entlang bis in mein Zimmer.
Im ersten Moment wunderte ich mich, dass am Fenster noch die Lampe leuchtete, ich versuchte sogar, mich zu erinnern, wann ich vergessen haben könnte, sie zu löschen. Da erhob sich schon, mir entgegen, sich mühsam mit den Händen auf den Lehnen abstützend, meine Mutter aus dem Sessel. Sie sah mir unverwandt in die Augen und näherte sich. Auch ich schaute ihr in die Augen, um mich herum wurde plötzlich alles furchtbar still. In der Küche tropfte der Wasserhahn wie reißende Saiten. «Dieb » , sagte Mutter, die Lippen bewegten sich kaum in ihrem gelben kleinen Gesicht. Sie flüsterte dieses schreckliche Wort deutlich und verzog auch keine Miene, als ich, der äußerlichen Notwendigkeit gehorchend, irgendetwas zu entgegnen – was mich entsetzte, noch während ich es tat –, ausholte und sie ins Gesicht schlug. «Mein Sohn ist ein Dieb » , flüsterte Mutter still und traurig, als bespräche sie das mit sich selbst; ihr grauer Kopf zitterte schrecklich, dann zögerte sie, als wartete sie ab, ob ich noch einmal zuschlagen würde, und ging langsam, mit mitleiderregend hängenden Schultern und Armen zur Tür.
In den Heizungsrohren unter der steinernen Fensterbank knackte etwas, zischte und floss. Es kam drückende Wärme von dort. Der Glühfaden in der Lampe auf dem Tisch glomm gelb, ohne Licht zu geben. Meine Nase war geschwollen, ließ keine Luft durch. Hinter dem Fenster begann das benachbarte Haus Falten zu werfen. Sein Schornstein riss sich los und zerfiel nass im metallischen Himmel. Ich gab mir keine Mühe, die Tränen wegzublinzeln, die meine Augen füllten.
6
Eine halbe Stunde später kam ich zu dem Haus, wo Jag wohnte. Beim Eingang stand eine Droschke, die mit Koffern beladen war. Daneben hastete Jag, in Reisekleidung, um seine «Spanierin » herum. Er erblickte mich, verhedderte sich in seinem riesigen Pelzmantel, kam auf mich zugelaufen und umarmte mich. In zwei Worten erzählte ich ihm, dass bei mir zu Hause etwas Unangenehmes vorgefallen sei, dass ich, könnte man sagen, obdachlos geworden sei; Jag, mit der freudigen Erregung eines Menschen kurz vor seiner Abreise, ließ mich nicht einmal ausreden, versicherte mir, das sei ja wunderbar, das passe ihm hervorragend, Herr im Himmel, sogar ganz hervorragend, und bot mir an, kurzerhand in sein Zimmer zu ziehen.
Er nahm mich fest beim Arm,
Weitere Kostenlose Bücher