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Roman unserer Kindheit

Roman unserer Kindheit

Titel: Roman unserer Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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sie zusammen. Der Ältere Bruder spürt, wie sich die beiden Größten, wie sich Sybille und der Wolfskopf halb hinter seinen Rücken ducken. Der Schniefer tippelt nach vorn, drückt ihm die zweite Krücke, mit der er einem nach dem anderen hochgeholfenhat, in die freie Rechte. Dann stellt er sich hinter Sybille, während auf der anderen Seite der Ami-Michi auf Zehenspitzen über die Wolfskopf-Schulter lugt. Ganz außen und zugleich ganz hinten finden die Zwillinge ihre Plätze. Nie fühlten sich die beiden weiter auseinander. Zum ersten Mal scheint es gewiss, dass sie in einem Raum gelandet sind, den sie nicht mit dem Pingpong ihrer Stimmen, nicht mit dem Hinundher eines Scherzes füllen können.
    Da rüttelt es an der Tür. Erst jetzt sehen die Kinder, wie man auf regulärem Weg in diese Kegelbahn hineinkommt. Der Eingang befindet sich auf halber Höhe, genau zwischen ihnen und dem falschen Bären. Die Klinke springt auf und ab. Hände schlagen ans Holz. Sie hören Männerstimmen. Sybille, der Ami-Michi und der Ältere Bruder erkennen den Mann ohne Gesicht, hören, dass er sie «Kinder!» ruft und ihnen barsch befiehlt, die Tür zu entriegeln. Sybille fasst sich an die rechte Hüfte, dorthin, wo unterm Schlüpfergummi der Schlüssel des Toten klemmt, und schaut unseren großen Bruder an, als wüsste der nicht bloß in den Geschichten, sondern auch jetzt, auf dieser lang schon aufgegebenen und doch knallhell gebliebenen Kegelbahn, wie alles weitergeht. Dreimal hat der Schlüssel in seiner Piratengeschichte, dreimal hat er ihnen unter der Neuen Siedlung aufgeschlossen. Der Ältere Bruder winkt ihr mit dem Kopf. Gemeinsam wagen sie sich, den Bärenkerl nicht aus den Augen lassend, an die Tür. Der Schlüssel scheint wiederum zu passen, aber er lässt sich kein bisschen drehen.
    Es ritscht! Der Bär hat sich einen ersten Schlitz in Brust und Bauch gerissen. Der Ältere Bruder hebt die rechte Krücke und fädelt ihre Spitze in den Schlüsselring. Ein solcher Hebel schafft es womöglich mit Gewalt. Der Schlüssel rucktund stöhnt und bricht mit einem lauten, hässlich hellen Pling. Der Bärenkerl zerreißt sein Fell, vom Hals hinunter bis zwischen die gespreizten Beine. Sybille rennt sogleich zu den anderen zurück. Und unser großer Bruder weiß sich keinen anderen Rat, als auf seinen Krücken hinterherzuhumpeln. Während sich Sybille, bei den anderen angekommen, sogleich wieder umgedreht hat, um den Bärenmann, der ungestüm und unbeholfen mit den Ärmeln seiner Verkleidung kämpft, im Auge zu behalten, guckt unser Bruder noch ein paar Schritte lang in die andere Richtung. Erst jetzt versteht er, wozu der Trichter, in den sie heraufgekrochen sind, früher gedient hat und vielleicht noch immer dient. Er fängt die Kugeln auf, die man hin zu den Kegeln schlenzt. Der Trichter sammelt, ohne einen Unterschied zu machen, die Kugeln der guten wie der schlechten Würfe und führt sie auf irgendeinem verborgenen Weg wieder den Spielern zu. Dahinten schabt und kratzt und keucht es. Es kommt noch jemand die Schräge hochgekrabbelt. Die Sehnsucht nach Beistand verkürzt unserem großen Bruder alle denkbaren Wege, in wilder Hoffnung glaubt er, ihre erwachsenen Helfer hätten von außen einen Zugang dorthinein gefunden, da sieht er, dass bloß ein Kinderschopf heraufkommt.
    Ich zähle gern bis acht! Acht Kinder sind eine schöne Schar. Mehr als acht Kinder sollte keine Mutter gebären, mehr als acht Sprösslinge sollte kein Vater, nicht einmal der Patriarch der Patriarchen, zeugen dürfen. Eventuell hat nicht einmal der große Himmelspapa Anrecht auf ein neuntes Kind. Ja, selbst unser lieber Jesus hätte es trotz der himmlischen Weite seines Herzens besser bei acht Jüngern bewenden lassen sollen. Auf allen vieren kriecht Sybilles kleine Schwester den Trichter hoch, rappelt sich auf und taumelt als Achte zuden anderen. Sie sieht zerzaust, verschmuddelt, sie sieht mit ihren bleichen rotfleckigen Wangen und der schwitznassen Stirn ganz schrecklich mitgenommen aus. Schon morgen, bereits am frühen Vormittag, wird Doktor Junghanns sie mit Verdacht auf Hirnhautentzündung ins Josephinium bringen lassen. Volle zwei Wochen muss sie dort liegen, ein Stockwerk unter ihrem Vater, der sich arg um sie sorgt und es mit Hilfe dieses Bangens schließlich schafft, sein Sportlerunglück zu verwinden. Zu guter Letzt werden die beiden am selben Tag entlassen. Der kleine Gas-Böhm humpelt dann auf Krücken und mit für immer halbsteifem Knie zum Taxi,

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