Roman
Blick. Kristina fühlte einen leichten Schwindel.
„Aber vielleicht siehst du dir zuerst mein Zimmer an“, mischte Sophie sich ein. „Das bräuchte dringend frischen Wind.“
„Bist du schon wieder bei Mama untergekrochen?“, fragte Philipp.
„Diesmal ist es endgültig. Ich habe mich von diesem Primaten getrennt.“
Kristina hatte den Freund ihrer Tochter sehr gern und verteidigte ihn: „Sven ist nun wirklich kein Pri…“
„Ist er doch“, unterbrach ihre Tochter sie. „Er teilt sich nicht mit. Ich rede bestimmt dreimal so viel wie er. Frauen sind einfach kommunikativer, Männer nur verstockt. Manche zumindest.“ Dabei zwinkerte sie Tom zu.
„Es gibt halt mehr Männer mit Artikulations- als mit Erektionsproblemen“, meinte Philipp, wofür er allerdings nur von Tom einen Lacher erntete. Sophie dagegen bedachte ihn mit einem strafenden Blick, seine Mutter ebenfalls.
„Wusstest du, dass das weibliche Gehirn mehr Kommunikationszellen besitzt als das männliche?“, entgegnete Sophie schnippisch. „Das hat natürlich einen Einfluss auf den Wortschatz. Deswegen benutzen Frauen durchschnittlich rund 20.000 Wörter pro Tag. Den Männern hingegen reichen 7.000.“
„Das erklärt einiges“, konterte Philipp. „Wir Männer sagen kurz und prägnant, was wir denken, während ihr Frauen stundenlang um den heißen Brei herumredet und trotzdem nicht zum Punkt kommt.“
„Frauen haben eine achtspurige Autobahn, um Gefühle zu entwickeln, Männer nur eine Landstraße“, hielt Sophie dagegen.
„Vielleicht solltest du einfach mal die Klappe halten und Sven zu Wort kommen lassen. Zuhören wirkt oft Wunder“, sagte Philipp.
„Bitte hört auf, euch zu streiten“, meinte Kristina.
„Aber was sagst du denn dazu?“, wollte Philipp von seiner Mutter wissen.
„Sophie kann natürlich bleiben, solange sie will.“ Kristina nahm eine Erdbeere, biss hinein – und bemerkte, wie Tom sie dabei beobachtete. Sein Blick machte sie erneut verlegen.
„Vielleicht wäre die Idee, dass Tom sich mal deine Praxis ansieht, wirklich nicht so schlecht“, wechselte Philipp das Thema. „In meiner Diplomarbeit, mit der ich gerade angefangen habe, entwickle ich eine Marketingstrategie für kleine und mittlere Unternehmer. Diese Strategie könnte dir helfen, noch erfolgreicher und effizienter zu arbeiten.“
„Ich bin zufrieden, so wie es ist“, erklärte Kristina knapp.
„Aber du könntest expandieren.“
„Wozu?“
Beschwichtigend hob Philipp die Hände. „Warum hörst du dir unsere Vorschläge nicht mal in Ruhe an und entscheidest dann?“
Tom nickte zustimmend. „Genau, wir präsentieren, und du entscheidest. Passt es dir morgen Abend? So gegen 19 Uhr? Dann könnte ich vorbeikommen, und du zeigst mir alles.“ Mit diesen Worten legte er seine Hand auf ihren Unterarm.
Kristina saß da und wusste nicht, wie ihr geschah. „Na gut, von mir aus. Morgen um sieben also.“
„Opa!“, rief Sophie plötzlich und sprang von ihrem Stuhl auf. „Wo warst du denn?“
Alle wandten sich zu Kristinas Vater um, der unbemerkt hereingekommen war und in der Tür stand. „Ich hatte eine Verabredung“, antwortete er gelassen, während Sophie ihn umarmte.
„Wir haben schon gegessen“, meinte Kristina. „Aber es ist noch genug für dich da.“
„Danke“, erwiderte er, „aber ich bin nicht hungrig. Seid mir nicht böse, wenn ich gleich nach oben gehe. Ich war den ganzen Tag auf den Beinen und würde mich nun gerne etwas entspannen.“ Damit machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand.
„Wow“, entfuhr es Sophie, „was war das denn?“
„Er sieht gut aus, dein Vater“, stellte Tom fest. „Sehr elegant in diesem Anzug.“
„Seit wann trägt Opa Schuhe von Tod’s?“, staunte Sophie. „Die sind absolut hip.“
„Und ziemlich teuer“, ergänzte Philipp. „Und dann noch diese Überdosis Knize. Das haut jede Frau um.“ Er sah seine Mutter an. „Hat er eine Freundin?“
„Ich habe keinen blassen Schimmer“, gab Kristina irritiert zurück. „Aber irgendetwas stimmt nicht. Ich geh nach oben und frage ihn.“
Philipp hielt sie am Arm zurück, als sie aufstand. „Nein, lass ihn. Er wird es schon erzählen, wenn er so weit ist.“
Etwas widerwillig gab Kristina nach. „Dann werden wir uns in Geduld üben.“
„Lass mich mal machen“, sagte Sophie mit siegessicherer Miene. „Ich werde schon herausfinden, was dahintersteckt. Schließlich kenne ich mich mit dem männlichen Geschlecht aus.“
„Du?“
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