Roman
Muskeln ganz schön trainiert. Sie konnte immer noch problemlos ärmellose T-Shirts tragen und netten Menschen zum Abschied winken, ohne dass von ihren Oberarmen ein Hautlappen von der Größe eines Elefantenohrs herabbaumelte. Da konnte sich sogar Mrs. Obama noch ein Scheibchen abschneiden. Und das bisschen Achselfett spielte dann doch eigentlich keine Rolle.
Kristina lauschte. Dem Rumpeln nach, das von draußen zu hören war, musste Sophie gerade angekommen sein. Und offenbar hatte sie größeres Gepäck dabei. Pass bitte auf die Wände auf – die sind frisch gestrichen, flehte Kristina im Stillen. Rasch verließ sie das Badezimmer, eilte in den Flur und traf dort auf Sophie, die gerade einen monströs großen Koffer die letzten Treppenstufen hochhievte.
„Sophie, Liebes, komm, ich helfe dir“, begrüßte Kristina sie und küsste sie auf die Wange.
„Geht schon“, wehrte ihre Tochter mürrisch ab. „Diesmal ist es endgültig aus. Der sieht mich nie wieder.“
Kristina überlegte, was sie tun sollte. Sie entschied sich dafür, einfach die Tür zu Sophies Zimmer aufzumachen und darauf zu warten, dass ihre Tochter den Koffer in das Zimmer trug.
„Philipp kommt zum Abendessen“, sagte Kristina in der Hoffnung, Sophie etwas aufzuheitern.
„Was gibt’s?“
„Spargel.“
Sophies Miene hellte sich auf. „Super. Ich muss eh abnehmen. Ich bin eindeutig zu fett. Wann essen wir?“
Kristina schüttelte den Kopf. Ihre Tochter war alles andere als zu fett. Doch sie verkniff sich eine Reaktion, denn das hätte garantiert nur zum Streit geführt. Wenn Sophie meinte, dass sie zu klein wäre und locker als Zwerg durchgehen würde, dann war sie mit ihren 1,79 m eben ein Pygmäe. Und wenn ihre Tochter behauptete, dass sie dick wäre, dann galt sie mit ihren knapp 55 Kilo eben bereits als adipös.
Kristina sah auf ihre Armbanduhr. „In einer halben Stunde, denke ich. Brauchst du mich?“
„Nö.“ Sophie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Seit einigen Wochen trug sie es sehr kurz geschnitten, was ihr ausgesprochen gut stand. Dennoch hatte es Kristina einen Stich versetzt, als sie die Kurzhaarfrisur zum ersten Mal gesehen hatte. Sophie hatte dafür ihr schulterlanges Haar geopfert. Aber Kristina musste zugeben, dass der Bubikopf Sophies feine Gesichtszüge perfekt zur Geltung brachte.
Nun stand Kristina unschlüssig im Türrahmen, während ihre Tochter in ihrer Handtasche nach ihrem Mobiltelefon suchte.
Sophie ließ sich aufs Bett fallen und begann sofort damit, eine SMS zu schreiben. „Ich komme dann runter“, sagte sie, ohne aufzuschauen.
Kristina verstand: Sophie wollte allein sein. „Schön, dass du da bist“, seufzte sie und wandte sich um. Meine kleine Egoistin, wann wachst du endlich auf?
„Warum hast du dich so zurechtgemacht?“, rief Sophie ihr hinterher. „Erwarten wir noch jemanden zum Essen? Und wo ist Opa?“
Kristina machte kehrt. „Es ist so heiß heute, da ist ein Kleid einfach bequemer“, antwortete sie. „Und Philipp bringt noch einen Freund mit.“
„Wen?“ Sophie sah von ihrem Mobiltelefon hoch.
„Weiß ich nicht. Und wo Opa steckt, weiß ich auch nicht.“
Sophie widmete sich wieder ihrem Handy und tippte weiter an der Nachricht, für wen auch immer sie bestimmt war.
„Wann hast du eigentlich zuletzt mit deinem Vater gesprochen?“, wollte Kristina wissen.
„Wieso?“ Ihre Tochter blinzelte sie misstrauisch an.
„Nur so. Wie geht’s ihm denn?“
„Das musst du ihn schon selber fragen.“
„Also alles beim Alten?“
„Klar.“
„Und mit Julia?“
Sophie schaute ihr direkt in die Augen. „Du stellst vielleicht komische Fragen.“
Sie weiß es, schoss es Kristina durch den Kopf. „Na ja, dann geh ich mal an den Herd, wo ich hingehöre“, sagte sie mit einem spöttischen Grinsen und drehte sich um.
„Ach Mama“, meinte ihre Tochter. „Ich komme gleich nach und helfe dir.“
„Lass dir ruhig Zeit“, entgegnete sie. Leise, so dass Sophie es nicht hören konnte, fügte Kristina hinzu: „Das Hotel Mama ist wieder eröffnet.“
In der Küche warf Kristina einen prüfenden Blick in den Ofen, in dem der Spargel garte. Mit dem Finger drückte sie auf die in Plastik eingeschweißten Stangen. Noch eine Viertelstunde, dann würde er durch sein. Danach nahm sie zwei Flaschen Grauburgunder aus dem Kühlschrank und legte sie ins Eisfach. Sie trank den Wein lieber drei Grad kälter als normal, vor allem wenn es so warm war wie heute.
Es klingelte an der
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