Roman
Philipp prustete los.
„Wie meinst du das?“, fragte Sophie giftig.
Kristina fixierte ihren Sohn und schüttelte ein weiteres Mal ganz leicht den Kopf.
Daraufhin legte Philipp seiner Schwester den Arm um die Schultern. „Wenn du dich mit den Männern angeblich so gut auskennst, dann sag mir doch, wann Sven hier auftauchen wird.“
Sophie machte ein düsteres Gesicht. „Der? Das ist Vergangenheit.“ Dann beugte sie sich zu Tom hinüber und fügte mit einem Lächeln hinzu: „Es gibt doch noch so viel zu entdecken auf dieser Welt.“
3
Kristina saß am Küchentisch, blätterte in der Zeitung und nippte an ihrem Kaffee, als Sophie in die Küche kam. Ihre Tochter sah sehr blass aus.
„Möchtest du noch frühstücken?“, fragte Kristina.
„Nein, bin spät dran. Wir haben gleich eine Redaktionssitzung, bei der ich pünktlich auf der Matte stehen muss“, antwortete sie und nahm einen Schluck aus dem Kaffeebecher ihrer Mutter. Dann deutete sie auf Kristinas Gesicht. „Seit wann brauchst du denn die da?“
Hastig nahm Kristina die Lesebrille von der Nase. Erst kürzlich hatte sie sich die Brille in einem Drogeriemarkt gekauft, nachdem sie das Kleingedruckte auf der Verpackung einer Hautcreme nicht mehr hatte entziffern können. „Ach, nur manchmal“, gab sie betont beiläufig zurück, „so zum Zeitunglesen.“
Sophie grinste frech. „Jaja, das Alter.“ Bevor Kristina darauf reagieren konnte, drehte Sophie sich um und rief: „Ciao!“ Und weg war sie.
Nachdem Kristina das Geschirr weggeräumt hatte, ging sie hinauf unters Dach und klopfte an die Tür ihres Vaters.
„Herein!“, hörte sie ihn rufen.
Als sie die Wohnung betrat, staunte sie nicht schlecht: Ihr Vater trug einen Trainingsanzug und machte gerade Liegestütze. Interessiert beobachtete sie ihn eine Weile dabei. Schließlich stand er auf, griff nach zwei Hanteln, die auf dem Tisch lagen, und begann, seine Oberarme zu trainieren.
„Was willst du?“, fragte er schnaufend.
„Nur mal sehen, wie es dir geht.“
„Ich habe mich nie besser gefühlt.“
„Gibt es dafür einen bestimmten Grund?“
„Braucht es den?“, keuchte er, ohne sein Training zu unterbrechen.
„Na ja, du erscheinst mir irgendwie verändert.“ Kristina ließ nicht locker. „Bist du jetzt unter die Bodybuilder gegangen?“
„Wer rastet, der rostet.“
„Seit wann das? Bisher war deine Devise doch eher ,Sport ist Mord‘.“
„Es ist nie zu spät, seine Meinung zu ändern.“ Er legte die Hanteln beiseite, setzte sich auf den Boden und fing an, Sit-ups zu machen. „Ich habe mich entschlossen, einiges zu ändern. Haben wir Obst da?“
„Sicher. Und das Müsli steht im Schrank über der Spüle.“
„Zuckerfrei?“
„Was denkst du denn?“
Er nickte zufrieden und stand auf. „Und jetzt muss ich unter die Dusche.“
Damit verschwand er ins Badezimmer und ließ sie einfach stehen. Von Sophie war sie dieses Verhalten ja gewohnt, aber dass ihr Vater sie nun ebenfalls links liegenließ, irritierte sie sehr. Unschlüssig stand Kristina da und sah sich um. Auf der Kommode entdeckte sie zwei Kinokarten. Also da bist du gestern Abend gewesen, dachte sie und las den Filmtitel. Australia mit Nicole Kidman. Völlig verwirrt über diese Entdeckung, ging Kristina nach unten in ihre Praxis.
Rita saß bereits an ihrem Schreibtisch. „Morgen. Gleich kommt Herr Stauffenberg.“ Als sie aufblickte, zog sie erstaunt eine Braue in die Höhe. „Hast du einen Geist gesehen?“
Kristina nickte. „Mit meinem Vater stimmt etwas nicht. Er geht neuerdings aus, ohne mir etwas zu sagen. Er trägt schicke Anzüge und ein Parfüm namens Kniesche …“
„Kniesche?“, wiederholte Rita.
„Ja, oder so ähnlich. Und er schaut sich mit irgendeiner Person einen Film namens Australia an …“
„Aus-drrrä-lia?“, echote Rita leicht erregt.
„ Australia, ja! Das ist dieser Film mit Nicole Kidman und Hugh Jackman.“
Rita nickte. „Ah, den wollte ich mir auch ansehen. Aber dass sich dein Vater neuerdings für solche Liebesschnulzen interessiert, ist sonderbar. Um nicht zu sagen, verdächtig. Mit wem war er im Kino?“
„Wenn ich das wüsste! Ich werde ihn auf jeden Fall im Auge behalten. Na ja, vielleicht will er ja bloß nicht älter werden – so wie du.“
„Gschmarri“, widersprach Rita in bestem Fränkisch und funkelte sie gefährlich an. „Wenn sich an Moo zum Kaschber mecht, dann …“
„… dann steckt eine Frau dahinter“, fiel Kristina ihr ins Wort
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