Romana Exklusiv 0186
fünfzig. „Du brauchst jemanden, der … sich um dich kümmert.“
„Nein, David.“
Er machte ein finsteres Gesicht. „Es ist immer dasselbe. Wenn ich eine gute Idee habe, machst du alles kaputt.“
„Das stimmt nicht“, wehrte Cassandra sich.
„Doch.“ Er schob die Hände in die Taschen seiner Shorts. „Du wolltest nicht mit in den Palast kommen. Und wenn du gewusst hättest, dass ich meinem Großvater geschrieben habe, hätte ich den Brief nicht wegschicken dürfen.“
Sie seufzte. „David, du verstehst nicht …“
„Das tue ich auch nicht“, unterbrach er sie mürrisch. „Es gefällt dir hier, das weiß ich. Okay, vielleicht war meine Großmutter nicht sehr freundlich. Aber das kannst du ihr nicht übel nehmen.“
„Ah ja? Wieso nicht?“
David schnitt ein Gesicht. „Ich meine, was hast du erwartet? Sie wussten gar nicht, dass sie einen Enkel haben.“
„Wer hat mit dir darüber geredet?“, fragte sie und verdächtigte sogleich Enrique.
„Juan“, antwortete der Junge unbehaglich.
Sie schüttelte verblüfft den Kopf. Dass das Personal schon darüber sprach, hatte sie nicht erwartet. Aber sie hätte es sich denken können. „Was hat er dir sonst noch erzählt?“
Er ließ die Schultern hängen. „Ach, nicht viel. Er hat nur gesagt, niemand auf Tuarega hätte gewusst, dass Señor Antonio einen Sohn hat, sonst hätte mein Großvater mich zu sich geholt.“
„Und was hast du geantwortet?“
David zuckte die Schultern. „Das habe ich vergessen. Zuerst habe ich gedacht, er hätte sich getäuscht oder es anders gemeint.“
„Wann ist dir klar geworden, dass er sich nicht getäuscht hat?“, fragte Cassandra.
„Ich habe es irgendwann gemerkt“, stieß der Junge unglücklich hervor. „Ich glaube, Onkel Enrique hätte uns besucht, wenn er gewusst hätte, dass es mich gibt. Juan hat gesagt, die Familie sei wichtig für die de Montoyas. Und wir gehören ja zur Familie.“
„Nur du.“ Ihre schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet: David fing an, ihr die Schuld an der Entfremdung von der Familie seines Vaters zu geben, wenn auch zunächst unbewusst.
„Du gehörst auch dazu“, wandte er ein. Als sie sich umdrehte und ihre Dessous aus der Schublade zog, fügte er hinzu: „Mum, es tut mir leid, dass ich dich aufgeregt habe. Aber ich glaube wirklich, du siehst das alles falsch.“
„So?“ Mit ihren Sachen auf dem Arm blieb sie an der Tür zum Badezimmer stehen. „Du darfst natürlich deine eigene Meinung haben. Doch Enrique de Montoya interessiert sich nicht für mich, sondern nur für dich, weil du zur Familie gehörst. Vor zehn Jahren haben mir die de Montoyas klargemacht, dass sie nichts mit mir zu tun haben wollen.“
„Da wussten sie ja noch nichts von mir“, rief David aus.
„Glaubst du, das hätte einen Unterschied gemacht?“
„Das … weiß ich nicht“, gab er kleinlaut zu.
„Es wäre ihnen egal gewesen“, stellte sie fest. Dann schlug sie die Tür hinter sich zu.
„Mum!“ David war verletzt. Er war es nicht gewöhnt, von seiner Mutter so behandelt zu werden.
Doch Cassandra schloss die Tür ab und lehnte sich von innen dagegen. Dann ließ sie den Tränen freien Lauf.
Enrique war davon überzeugt, Sevilla sei eine der schönsten Städte Spaniens, und er hatte sich hier immer wohl gefühlt.
Doch an diesem Tag konnte noch nicht einmal der Anblick der berühmten Kathedrale seine Laune bessern. Die gotische Kirche und der Giralda-Turm, die die markantesten Wahrzeichen der Stadt waren, gehörten zu einem Leben, mit dem er sich nicht mehr identifizieren wollte.
Cassandras Worte hatten ihn bis ins Mark getroffen. Die Erkenntnis, die letzten zehn Jahre mit einer ungeheuren Lüge gelebt zu haben, verursachte ihm Übelkeit.
David war sein Sohn. Und Cassandras, fügte er in Gedanken angespannt hinzu. Sie musste ihn und seinen Vater und den Namen de Montoya zehn Jahre lang gehasst haben. Deshalb war es kein Wunder, dass sie so schockiert gewesen war, als er so überraschend in der Pension in Punta del Lobo erschienen war. Ihn hatte sie wahrscheinlich am allerwenigsten sehen wollen.
Wenn David den Brief nicht geschrieben hätte … Aber darüber wollte Enrique nicht nachdenken. Er musste sich um wichtigere Dinge kümmern. Sein Vater sollte am nächsten Tag aus dem Krankenhaus entlassen werden, und seine Mutter hatte Enrique gebeten, ihn nach Tuarega zu fahren. Er sollte sich auch um die Formalitäten kümmern, deshalb hatte er schon einen Tag früher
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