Romana Exklusiv 0186
unterhielt. Auf einmal empfand sie eine seltsame Leere. Warum war sie nie auf die Idee gekommen, er könne eine Partnerin haben?
Okay, das war’s dann, sagte sie sich. Es war sogar gut, dass er eine Freundin oder Geliebte hatte, das erleichterte die Sache. Nein, nichts ist gut, ich mache mir ja nur etwas vor und bin schrecklich eifersüchtig, gestand sie sich schließlich ein.
Rasch und viel zu heftig beförderte sie den letzten Ordner auf die anderen. Erstaunt sah Giancarlo sie an. Er schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Zornig sprang sie auf und wollte hinauseilen.
„Gehen Sie schon?“, fragte er samtweich. Er stand an Edwards Schreibtisch und hielt die Hand auf die Sprechmuschel, während es in seinen Augen rätselhaft aufblitzte.
Für Natalias Geschmack wirkte er viel zu erregt. Konnte er nicht warten, bis er allein war, ehe er so ein intimes Gespräch führte? Er wagte es sogar, sie ungeniert und bewundernd zu betrachten, obwohl seine Freundin am anderen Ende der Leitung auf ihn wartete.
„Es ist schon spät, falls Sie es nicht bemerkt haben“, stieß sie hervor. „Wir sind sowieso fertig. Ich lasse die Ordner hier liegen.“
Dann ging sie hinaus und schloss die Tür hinter sich. Natalia konnte nicht ahnen, dass Giancarlo sogleich den Hörer auflegte und triumphierend lächelte.
Giancarlo war mit sich zufrieden. Natalia interessierte sich offenbar für ihn. Plötzlich musste er lachen. Serena, die Frau seines besten Freundes, hatte ihm scherzhaft gedroht, sie würde Fredo verraten, wie verführerisch und intim er, Giancarlo, sich mit ihr unterhalten habe.
Wenig später klingelte das Telefon schon wieder.
„Fredo, in der Liebe ist alles erlaubt“, sagte Giancarlo sogleich, ehe sein Freund sich überhaupt gemeldet hatte. „Und damit keine Missverständnisse entstehen: Mein Gesäusel von vorhin hat nichts mit deiner schönen Frau zu tun.“
3. KAPITEL
„Hallo, Miss Deyton“, begrüßte Giancarlo sie am nächsten Morgen betont munter, als er hereinkam. „Hoffentlich hatten Sie einen angenehmen Abend.“
Nein, das hatte ich nicht, im Gegensatz zu Ihnen, dachte Natalia, denn er wirkte ausgesprochen zufrieden, ausgeglichen und aktiv. Offenbar war er voller Tatendrang.
Die Nacht mit seiner Freundin hatte anscheinend seine Kräfte mobilisiert. In dem seidig glänzenden grauen Anzug und dem farblich darauf abgestimmten Hemd und der dazu passenden Krawatte sah er ungemein attraktiv aus.
Natalia hingegen fühlte sich sehr erschöpft. Den Abend und die ganze Nacht hatte sie heftige Kämpfe mit sich ausgefochten. Es gefiel ihr nicht, dass sie ihn belogen hatte, und sie war beunruhigt über ihre Zuneigung zu ihm und über die erotischen Gedanken. Immer wieder hatte sie sich vorgestellt, in den Armen dieses Mannes zu liegen, der ein ungemein geschickter Liebhaber zu sein schien.
„Eine Miss Delucca hat gerade angerufen“, erklärte sie kühl. „Sie hat sich darüber beschwert, Sie seien heute Morgen weggegangen, ohne sich zu verabschieden.“
„Ah ja, das war Serena“, sagte er leise und lächelte. „Ich entschuldige mich später bei ihr. Zuerst müssen wir einiges erledigen, was …“ Plötzlich unterbrach er sich und versteifte sich etwas. „Wie lange sind Sie schon hier?“, fragte er.
„Ungefähr fünf Minuten“, erwiderte sie. Sie hatte es gerade noch geschafft, das Dokument, von dem Edward gesprochen hatte, aus dem Safe zu nehmen. Obwohl sie eine halbe Stunde vor Beginn der normalen Arbeitszeit hier gewesen war, hätte Giancarlo sie beinah noch dabei ertappt. Aber das ahnte er natürlich nicht, denn sie hatte immer noch den Mantel an, sodass Giancarlo annehmen musste, sie sei kurz vor ihm gekommen.
„Haben Sie ein Problem damit, Mr. Cardinale?“
Giancarlo antwortete nicht. Stattdessen blickte er mit finsterer Miene vor sich hin. „Ziehen Sie den Mantel aus, und kommen Sie in mein Büro“, forderte er sie schroff und unfreundlich auf.
„Ja, Sir“, erwiderte sie betont frostig.
Undeutlich sagte er etwas vor sich hin, während er die Tür hinter sich zuschlug.
Natalia schnitt ein Gesicht und zog langsam den langen beigebraunen Kaschmirmantel aus. Dann strich sie sorgfältig den langen Rock des eleganten dunklen Kostüms glatt, das sie an diesem Morgen extra deswegen angezogen hatte, weil es streng und geschäftsmäßig wirkte. Das Haar hatte sie hochgesteckt und Make-up so dezent aufgetragen, dass man es kaum wahrnahm.
Sie konnte sich nicht vorstellen, in dem
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