Romana Exklusiv 0188
bei den Heldinnen in alten Hollywoodfilmen beobachtet, und es hätte Julian Tarrant besser als alle Worte gezeigt, was sie von ihm hielt.
Doch sie widerstand der Versuchung, weil ihre Arbeit ihr zu wichtig war, als dass sie sie für einen kurzen Augenblick der Genugtuung aufs Spiel setzen wollte. Außerdem würde er sicher nicht erfreut auf ein derartiges Verhalten reagieren. Womöglich war er ein Experte im unbewaffneten Nahkampf, sodass sie, Frankie, sich im Handumdrehen auf dem Teppich wiederfinden würde. Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie er sie umklammerte und mit seinem kräftigen Körper auf den Boden drückte, wobei sein Mund nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt war …
Frankie trank einen Schluck Gin Tonic, ohne darauf zu achten, dass ihr die Flüssigkeit in der Kehle brannte. Solche Fantasien hatte sie nicht mehr gehabt, seit sie ein Teenager gewesen war!
„Du meine Güte, Mr. Tarrant, wenn Sie so verschwenderisch mit Gin sind, mixen Sie wahrscheinlich einen miserablen Martini!“, stieß sie hervor. „Also … nun … um auf ihr Manuskript zurückzukommen …“
Es war nicht einfach für sie. Hätte sie an ihrem Schreibtisch bei Cooper Masterman gesessen, hätte sie auf das Unwetter nicht geachtet. Aber sie war mit einem fremden Mann allein in seinem Haus, das nur von einem Feuer, dem Schein einer Öllampe und ab und zu von zuckenden Blitzen erhellt wurde. Es konnte alles Mögliche passieren …
Hör auf damit, Frankie!, ermahnte sie sich energisch. Mit wie vielen Männern war sie bisher in ihrer Eigenschaft als Lektorin allein gewesen, ohne so kindisch zu reagieren? Nichts würde passieren, weil Julian Tarrant keine Annäherungsversuche machen würde – ganz im Gegenteil. Also warum war ihr dann so unbehaglich zumute?
Als Julian eine Seite umblätterte, um auf einen vorhergehenden Abschnitt zu verweisen, beobachtete sie fasziniert die Bewegung seiner Hand. Er hatte lange Finger mit kurzgeschnittenen, sauberen Nägeln.
Bestimmt war er ein Perfektionist, der sowohl an seine Mitmenschen als auch an seine Umgebung die höchsten Ansprüche stellte. Wer immer das Haus in Ordnung hielt, leistete ganze Arbeit. Sie glaubte nicht, dass es ihm etwas ausmachte, allein zu leben, oder dass es irgendetwas gab, was er nicht allein bewältigen konnte. Dennoch wirkte Cerne Farm nicht wie eine Junggesellenbude. Frankie überlegte, ob er jemals verheiratet gewesen war, hielt es jedoch für unklug, ihn danach zu fragen.
Als er sie ansah, schien es, als würde er ihre Gedanken erraten. Sie erwiderte stumm seinen Blick, da sie sich nicht dazu überwinden konnte, die Frage zu stellen. Während die Spannung zwischen ihnen immer stärker wurde, passierte etwas Seltsames.
Plötzlich nahm Frankie in den kühlen blauen Augen dieses Mannes, der sich nichts aus Frauen machte – oder besser gesagt, der etwas gegen Frauen zu haben schien –, ein Funkeln wahr, das ganz anders war als der aggressive Ausdruck zuvor.
Sie erschauerte und fühlte sich mit einem Mal sehr verletzlich. Fast sah sie sich aus seiner Perspektive: die großen bernsteinfarbenen Augen, das interessante, lebhafte Gesicht, das nicht im herkömmlichen Sinn schön war, umrahmt von einem modisch verwuschelten blonden Kurzhaarschnitt … den schlanken, weiblichen Körper, die endlos langen Beine, das marineblaue Kostüm und die elfenbeinfarbene Seidenbluse, die ihre Brüste vorteilhaft zur Geltung brachte.
Sein Blick drückte Anerkennung aus, und in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass Julian Tarrant sie gleich in die Arme nehmen könnte. So verrückt es war, war es doch möglich.
Was Frankie allerdings weitaus mehr Sorgen bereitete, war der Gedanke, dass sie ihn in dem Fall nicht stoppen würde. Dass sie es nicht nur zuließe, sondern auch genießen …
Schnell packte sie die Manuskriptseiten zusammen, um die Spannung zu überbrücken.
„Ich denke, weiter sollten wir heute nicht gehen“, sagte sie forsch. Obwohl ihre Worte nicht zweideutig gemeint waren, verzog Julian den Mund zu einem unechten Lächeln.
„Absolut“, bestätigte er spöttisch, und sie wusste nicht, ob sie sich mehr über ihn oder über sich selbst ärgerte. Demonstrativ schaute er auf seine Armbanduhr. „Falls Sie heute noch nach Hause kommen wollen, Miss Somers, schlage ich vor, dass Sie jetzt aufbrechen.“
Hatte er etwa „aufbrechen“ gesagt? Frankie sah ihn verblüfft an und wandte sich anschließend zum Fenster. Es regnete und stürmte noch immer, und in der
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