Romana Exklusiv 0197
Geschäftsbeziehungen zwischen ihm und ihrem Vater nicht zu gefährden, musste sie sich mäßigen. Deshalb sagte sie nur: „Es ist eine Zumutung für Sie, dass ich mich ungebeten in Ihrem Haus aufhalte.“
„Sie sind ein seltsames Mädchen.“ Seine Stimme klang plötzlich leicht belustigt.
„Ich bin kein Mädchen mehr!“, antwortete Lysan gereizt.
„Ich bitte um Verzeihung“, entschuldigte er sich sogleich und musterte sie von oben bis unten. „Natürlich sehen Sie aus wie eine erwachsene Frau, aber …“
„Behalten Sie es lieber für sich!“, fiel sie ihm ins Wort. Sie war sich nicht mehr so sicher, ob sie sich beherrschen konnte, wenn er ihr sagte, sie benehme sich seiner Meinung nach wie ein Kind.
„Schon gut, ich bin ja ruhig.“ In seinen Augen blitzte es auf.
Lysan fand das alles überhaupt nicht lustig, sondern ärgerte sich regelrecht. „Nehmen Sie es bitte nicht persönlich, aber ich habe es mir anders überlegt und werde nicht mit Ihnen fahren“, erklärte sie steif.
„Sind Sie immer noch überzeugt, Sie würden sich wie eine erwachsene Frau benehmen?“ Seine Miene wurde wieder ernst.
Dieser verdammte Kerl!, dachte Lysan wütend und atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Insgeheim gestand sie sich ein, wie sehr sie sich auf die Fahrt mit ihm gefreut hatte. Und als sie Enrico anschaute, musste sie zu ihrer eigenen Überraschung lächeln. „Sind Sie sich auch ganz sicher, dass Sie mich mitnehmen wollen?“, fragte sie.
Er betrachtete sie aufmerksam. „Ihr Haar gefällt mir ausgesprochen gut, die Frisur auch“, stellte er dann fest, ohne auf ihre Frage einzugehen.
Sie bekam Herzklopfen und räusperte sich, um ihre Verlegenheit zu überspielen. „Okay, ich fahre mit“, sagte sie lächelnd.
Als sie eine halbe Stunde später neben ihm im Auto saß, war ihr gar nicht mehr nach Lachen zumute. Sie verstand einfach nicht, warum Enrico Viveros so heftige Emotionen in ihr weckte. Was war los mit ihr seit ihrer Ankunft in Chile?
„Sie sind so ruhig. Sie machen sich doch hoffentlich keine Sorgen mehr, oder?“, riss Enrico sie aus ihren Gedanken. Seine Stimme klang warm und herzlich.
„Nein“, erwiderte Lysan. Es war sowieso sinnlos, noch länger darüber nachzugrübeln, ob ihr Besuch für ihn eine Zumutung war oder nicht. Er hatte selbst darauf bestanden, dass sie in seinem Haus bleiben sollte, also musste er auch die Konsequenzen tragen. „Ich habe Gabina gefragt, ob sie mit uns kommen wolle“, fügte sie unvermittelt hinzu.
Enrico drehte sich überrascht zu ihr um. „Als Anstandsdame, oder was?“
Du liebe Zeit, hätte ich doch den Mund gehalten, dachte sie sogleich. Sie hatte keine Angst vor ihm und befürchtete nicht, dass er irgendwelche Annäherungsversuche machen würde, denn das lag ihm sowieso fern. „Natürlich nicht“, erwiderte sie etwas verlegen und ziemlich ärgerlich. „Ich wollte nur …“ Sie verstummte und wünschte, sie hätte das Thema nicht angeschnitten. Nachdem sie sekundenlang geschwiegen hatte, hoffte sie, er würde keine Antwort mehr erwarten. Aber plötzlich warf er ihr einen fragenden Blick zu. Seine Beharrlichkeit ging ihr auf die Nerven, und Lysan fuhr ihn an: „Ich kann nicht akzeptieren, dass Gabina mir ihre Zeit opfert.“
Er lachte aus vollem Hals.
„Was ist daran so komisch?“, fragte sie gereizt.
„Sie lieben Gedankensprünge, stimmt’s?“
Am liebsten hätte sie mitgelacht, tat es aber nicht. Was hatte dieser Mann nur an sich, dass sie in seiner Gegenwart gefühlsmäßig ständig von einem Extrem ins andere fiel? „Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich und meinte es wirklich ernst.
„Okay, ich verzeihe Ihnen“, erwiderte er großmütig. Lysan schaute ihn an und sah, wie es um seine Mundwinkel zuckte. Doch dann fügte er ernst hinzu: „Sie sind für niemanden eine Belastung, das dürfen Sie gar nicht denken. Glauben Sie mir, meine Schwägerin freut sich sehr über Ihren Besuch und wird die Zeit mit Ihnen genießen.“
„Sind Sie davon überzeugt?“
„Ja. Für Gabina ist es wie Urlaub“, versicherte er.
Lysan beschloss, ihm zu glauben. Es wurde dann noch ein herrlicher Tag. Während sie durch die wunderschöne Landschaft fuhren, entspannte Lysan sich zunehmend. Nach dem ziemlich schwierigen und arbeitsreichen Jahr, das hinter ihr lag, hatte sie den Urlaub verdient und wollte ihn genießen.
Nach zwei Stunden Fahrt kamen sie am Ziel an. Lysan begriff allmählich, wie weitläufig Enricos Besitz war. Zuerst
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