Romana Exklusiv 0197
weit?“
„Ungefähr tausendeinhundert Kilometer.“
Lysan war sich nicht sicher, ob sie so weit von Enrico weg sein wollte. Doch dann sagte sie sich, dass es bestimmt am besten war, so viele Kilometer wie möglich von ihm entfernt zu sein.
„Kann man mit dem Zug hinfahren?“
„Ja. Aber Sie können auch bis Puerto Montt fliegen, das in der Nähe von Puerto Varas liegt. Oh! Mir fällt gerade ein, mein Cousin Urso wohnt in Puerto Montt. Er kann Sie abholen.“
„Nein, das möchte ich nicht“, wandte Lysan ein. „Ihr Cousin hat sicher Besseres zu tun.“
Sie hätte sich jedoch die Einwände sparen können, wie sie schließlich einsah, denn Gabina wollte sich nicht überzeugen lassen, dass sie, Lysan, ganz allein und ohne fremde Hilfe zurechtkommen würde. Vor einer Stunde hätte ich mir noch nicht träumen lassen, nach Puerto Varas zu reisen, dachte sie, während sie die Treppe hinaufging, um die restlichen Sachen einzupacken. Gabina hatte ihr ein Ticket bestellt und einen Platz im Nachtzug nach Puerto Montt reserviert.
Natürlich wäre sie mit dem Flugzeug schneller dort angekommen, doch sie hatte es nicht eilig. Sie konnte ihrer Liebe zu Enrico sowieso nicht entfliehen, egal, wie rasch und wie weit sie sich von ihm entfernte.
Irgendwie fühlte sie sich verpflichtet, ihm eine Nachricht zu hinterlassen, was sich als viel schwieriger herausstellte, als sie geahnt hatte. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, wie sehr er hohle Phrasen verabscheute. Andererseits konnte sie ihm den wahren Grund für ihre überstürzte Abreise nicht nennen. Er durfte nie erfahren, was sie für ihn empfand.
Nach mehreren vergeblichen Anläufen fand sie die richtigen Worte. Sie bedankte sich höflich für seine Gastfreundschaft und fügte hinzu, dass sie sich stets gern an den Aufenthalt in seinem Haus erinnern würde. Das war alles, und es musste genügen.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Lysan öffnete und bat Gabina einzutreten.
„Ein kleines Geschenk für Sie.“ Gabina reichte ihr lächelnd ein Päckchen in hübschem Geschenkpapier.
„O Gabina, Sie …“
„Es ist mein Weihnachtsgeschenk für Sie. Darf ich Sie bitten, es erst am Heiligabend um Mitternacht zu öffnen, wie es bei uns Brauch ist? Wir denken dann an Sie und Sie vielleicht auch an uns.“
„Das ist lieb von Ihnen“, sagte Lysan leise und nahm das Päckchen für Gabina vom Bett. „Machen Sie es genauso mit meinem Geschenk für Sie? Leider habe ich noch nichts für Celso gefunden.“
„Das macht gar nichts, er hat auch nichts für Sie.“ Gabina lachte, und auf einmal hatte Lysan das Gefühl, von einer guten Freundin Abschied zu nehmen.
Sie reichte Gabina das Kuvert mit der kurzen Mitteilung für Enrico. „Würden Sie das bitte Enrico geben?“, bat sie seine Schwägerin. Als sie ihren fragenden Blick bemerkte, fügte sie erklärend hinzu: „Ich habe mich nur bei ihm bedankt.“
Trotz Lysans Einwänden bestand Gabina darauf, sie am Abend zum Bahnhof in Santiago zu fahren. Sie begleitete sie in den Schlafwagen und sprach kurz mit dem Zugbegleiter. „Wenn Sie Fragen haben, hilft er Ihnen gern. Er sagt Ihnen auch kurz vor der Ankunft in Puerto Montt Bescheid. Dort wird mein Cousin Sie dann abholen.“
„Sie haben ihn also wirklich angerufen!“, rief Lysan überrascht. Nach der Unterhaltung beim Frühstück hatte Gabina den Mann nicht mehr erwähnt.
„Ja, natürlich. Aber weil er nicht viel Zeit hat, bringt er Sie nur zum Hotel, das ich für Sie gebucht habe. Übermorgen fährt er mit Ihnen nach Puerto Varas, um Ihnen die Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Bleiben Sie einfach auf dem Bahnsteig stehen, bis er zu Ihnen kommt und sich als Urso Ibanez vorstellt.“
„Ich …“, begann Lysan und wollte protestieren. Doch dann wurde ihr bewusst, wie sehr Gabina sich bemüht hatte, ihr zu helfen und ihr einen Gefallen zu tun. Deshalb sprach sie die Worte nicht aus, die ihr auf der Zunge lagen. „Wie will Urso mich denn erkennen?“, fragte sie stattdessen.
Gabina lachte. „Ich habe ihm gesagt, wie Sie aussehen. Ich glaube nicht, dass noch mehr hübsche Frauen mit blondem Haar in Puerto Montt aussteigen. Aber ich muss jetzt gehen. Sie schreiben mir doch, wenn Sie wieder in England sind, oder?“
„Ja, bestimmt“, versprach Lysan und umarmte sie zum Abschied.
Als der Zug abfuhr, war Lysan ziemlich niedergeschlagen. Sie hatte freiwillig den Kontakt mit dem Mann abgebrochen, den sie so sehr liebte, und jetzt fühlte sich schrecklich einsam und
Weitere Kostenlose Bücher