ROMANA EXKLUSIV BAND 231
gekommen, bis er sie ausgesprochen hatte. Jetzt verlockte es sie tatsächlich einen kurzen Augenblick lang, den Hörer auf die Gabel zu knallen. Stattdessen atmete sie tief durch und erwiderte nur:
„Ich habe viel zu tun, Jay.“ Sie war erleichtert, wie ruhig und gelassen ihre Stimme klang. Beth machte ganz und gar nicht den Eindruck, als würde es ihr etwas ausmachen, ihren Mann nach beinah zwölf Monaten wieder zu hören.
„Ich auch“, gab er scharf zurück. „Weshalb hast du nicht schon längst unterschrieben?“
„Weil ich noch nicht dazu gekommen bin, mir das genau anzuschauen.“
Das war nicht gerade eine Lüge, verriet jedoch nichts davon, wie sehr sie sich davor gefürchtet hatte, sich mit der Angelegenheit zu beschäftigen.
„Machst du dich über mich lustig?“
„Nein. Das wäre doch gar nicht möglich, schließlich bist du ein unfehlbarer Mensch. Das hast du doch nicht vergessen, oder, Jay?“
Sie konnte sich diese scharfe Bemerkung nicht verkneifen, obwohl sie sich gleichzeitig fragte, ob es nicht sinnlos sei zu streiten. Vor allem mit diesem Mann, denn Jay hatte immer das letzte Wort. Als sie den Brief bekommen hatte, war Elizabeth davon überzeugt gewesen, dass er die Unterlagen für eine Scheidung enthielt. Deshalb hatte sie ihn zur Seite gelegt und versucht, nicht mehr an ihn zu denken. Das war ein Fehler gewesen, wie sie sich seufzend eingestehen musste. Sie musste ihre Ehe mit Jay ein für alle Mal zum Abschluss bringen. Schließlich lebten sie schon ein Jahr getrennt, da war es an der Zeit, sich scheiden zu lassen.
„Hör mir zu, Jay, ich …!“
Er unterbrach sie in barschem Ton:
„Um wie viel Uhr hörst du mit der Arbeit auf?“
„Wie bitte?“ Was hatte das zu bedeuten? Er war doch in Jamaika, sie aber in London. Vielleicht wollte er ihr ein Fax schicken.
„Um halb sechs, wie üblich …“
„Gut, ich warte vor dem Büro auf dich, also sei bitte nicht zu spät!“
„Jay, ich weiß wirklich nicht …“ Beth brach ab, da er bereits aufgelegt hatte. Auf einmal verspürte sie so etwas wie Panik. Jay war in London! Sie verspürte tiefste Abneigung. Sie wollte ihn nicht sehen. Nicht jetzt, nicht so plötzlich. Vielleicht sollte sie ihren Kollegen sagen, dass sie sich krank fühle, und rasch nach Hause gehen.
„Ist alles in Ordnung, Elizabeth?“ Die Stimme schien von ganz weit herzukommen. „Du hast in fünf Minuten ein Treffen mit deinem Boss. Es ist jetzt nicht gerade der richtige Augenblick, sich Tagträumen hinzugeben.“
Sie schaute zu Colin Watson hinüber. Er war etwa fünfundvierzig, sah gut aus und konnte charmant und witzig plaudern. Elizabeth aber mochte ihn ganz und gar nicht. Colin hatte vor drei Monaten den Job angenommen und seitdem alles versucht, ihre Stellung in der Firma zu untergraben. Ihm wäre es sicher sehr lieb gewesen, wenn sie nach Hause gegangen wäre. Dann hätte er an der Sitzung teilnehmen können. Sie konnte sich schon vorstellen, wie er ihrem Chef Honig um den Bart schmierte und darauf anspielte, dass Elizabeth dem Job einfach nicht gewachsen sei. Das Beste sei, bei einer Runde Golf in Ruhe darüber zu sprechen. Genau solche Intrigen mochte Colin Watson doch nur zu gern.
Elizabeth warf ihm ein trockenes Lächeln zu und sagte:
„Nur keine Sorge, Colin, ich bin schon auf dem Weg! Aber soweit ich weiß, geht dich das gar nichts an.“
Die Besprechung dauerte eine Stunde, doch Elizabeth kam es wie eine Ewigkeit vor. Alle Ideen, die sie zu der neuesten Werbekampagne beisteuerte, wurden vom Tisch gewischt. Es gelang ihr, einen raschen Blick auf die Uhr zu werfen, ohne dass ihr Chef es bemerkte. Denn sonst hätte John ihr vorgeworfen, nicht hundertprozentig bei der Sache zu sein. Und das war in seinen Augen das größte Verbrechen, das man in seiner Firma begehen konnte.
Erst als sie dabei war, die Unterlagen einzupacken, schaute sie wieder auf die Uhr. Es war fast fünf. Wenn sie sich beeilte, konnte sie die Firma ein wenig früher verlassen und Jay so aus dem Weg gehen. Es war ihr einfach unmöglich, ihn heute zu treffen. Ihr Herz schlug wie wild, und sie fühlte sich müde und abgespannt. Außerdem sollte sie vielleicht doch den Umschlag öffnen, bevor sie mit ihrem Ehemann über die Angelegenheit sprach. Es wäre sicher klüger, sich mit seinem Vorschlag für die Scheidung vertraut zu machen, um sich auf die Diskussion vorzubereiten.
Sie steckte den Laptop in die Umhängetasche, packte das Handy ein und sagte dann zu ihrem
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