ROMANA EXKLUSIV BAND 231
Chef:
„Ich gehe nach Hause, John.“
Er nickte. „Bis morgen, halb neun. Vielleicht sind dir bis dahin noch ein paar gute Ideen zu der Kampagne gekommen.“
Elizabeth wusste, dass ihr Chef von seinen Leuten vollen Einsatz erwartete. Er machte ihr keinen Vorwurf daraus, dass ihre Vorschläge nicht angenommen worden waren. Es war selbstverständlich für John, dass seine Mitarbeiter auch während ihrer Freizeit an ihren Ideen für die Agentur weiterarbeiteten.
„Ich werde sehen, was ich machen kann“, erwiderte Elizabeth lächelnd. Sie wusste, dass sie gute Arbeit leistete, und war sich sicher, in einigen Tagen eine Präsentation vorzustellen, die die Mitarbeiter, ihren Chef und den Kunden überzeugen würde. An diesem Abend würde sie also nicht nur die Dokumente zu ihrer Scheidung studieren müssen, sondern auch darüber brüten, wie man die Werbekampagne verbessern könnte. Dabei wäre sie am liebsten ins Bett gegangen und hätte sich die Decke über die Ohren gezogen.
Nun mach dich doch nicht selbst verrückt, sagte sich Elizabeth entschieden. Deine Ehe war schon vor der Hochzeit zum Scheitern verurteilt. Da ist eine Scheidung nur der logische Schlusspunkt. Bevor sie das Bürogebäude verließ, ging sie in den Waschraum, um den Lippenstift nachzuziehen und das dunkle Haar durchzukämmen. Dann betrachtete sie sich nachdenklich im Spiegel.
Warum fühlte sie sich nur so unwohl in ihrer Haut? Und warum ging von diesem Brief eine Belastung aus, die Tonnen zu wiegen schien? Vielleicht lag das alles nur daran, dass sie am nächsten Tag dreißig Jahre alt wurde. Älter zu werden und sich gleichzeitig scheiden zu lassen, war äußerst deprimierend.
Entschlossen nahm sie die Aktentasche auf und ging nach unten. Einer Ehe ein Ende zu setzen war sicher eine schmerzhafte Angelegenheit, das war aber auch schon alles. Sie liebte Jay nicht mehr. Wenn sie die Geschichte mit ihm erst einmal beendet hätte, würde sie den Kopf freihaben, um das Leben wieder zu genießen. Und bestimmt würde sie sich auch wieder verlieben und den richtigen Partner fürs Leben finden. Der dreißigste Geburtstag könnte wie eine Chance für einen Neuanfang sein.
Wieder schaute sie auf die Uhr, während sie die sechs Etagen zu der Eingangshalle hinunterfuhr, die ganz mit Marmor und Spiegeln verkleidet war. Sie verließ die Firma zwanzig Minuten früher als sonst, so konnte es ihr vielleicht gelingen, ein Treffen mit Jay zu vermeiden. Sie würde rasch die U-Bahn nehmen und nach Hause fahren. Wenn er auf die Idee käme, dort zu klingeln, würde sie einfach nicht reagieren. Zu einem Treffen mit ihm sollte es erst kommen, wenn sie dazu bereit war, und nicht, wenn er es so wollte.
Als sie auf die Straße trat, verspürte sie einen Schock. Elizabeth wurden die Knie weich. Dann aber schwanden Ärger und Zorn, da sie sich eingestehen musste, dass er hinreißend aussah. Ihre Brust bebte wie wild. Beinah war es so wie damals, als sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte.
Er war groß, hatte dunkle Haare, einen athletischen Körper mit breiten Schultern und trug dazu einen dunklen Anzug, dessen eleganter Schnitt diese Vorzüge hervorragend stand. Seine Haut war gebräunt, was bei dem kühlen Winterwetter, das jetzt im Februar in London herrschte, schon merkwürdig herausstach. In den dunklen Augen lag ein höchst verführerischer Ausdruck, als er Elizabeth einen langen Blick zuwarf.
„Mrs Hammond, dort drüben wartet ein Besucher auf Sie“, sagte der Mann am Empfang, als er sie erblickte. „Ich wollte gerade bei Ihnen im Büro anrufen.“
„Danke, es ist schon in Ordnung!“, erwiderte Elizabeth und bedachte den Angestellten mit einem freundlichen Lächeln. Dann ging sie auf ihren Ehemann zu.
„Hallo Beth!“, sagte er zur Begrüßung.
„Hallo!“
Es herrschte langes Schweigen. Elizabeth wünschte nur, er würde sie nicht so anschauen. Es schien ja ganz so, als könne er ihr direkt in die Seele schauen und ihre Gedanken lesen.
Aber du bist jetzt fast dreißig, sagte sich Elizabeth entschieden und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Dieser Mann sollte ihr nicht wieder den Kopf verdrehen wie damals, als sie sich wie ein junges, naives Ding verhalten hatte. Außerdem liebte sie ihn nicht mehr.
Einige Arbeitskollegen kamen aus dem Fahrstuhl.
„Schönen Feierabend!“, riefen sie Elizabeth im Vorübergehen zu. „Bis morgen!“
„Ja, bis morgen!“, erwiderte Elizabeth und schaute zu der kleinen Gruppe hinüber.
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