ROMANA EXKLUSIV BAND 231
fühlt. Soweit ich weiß, hatte er keine leichte Kindheit. Vielleicht scheut er sich davor, Gefühle einzugestehen.“
War das eine Erklärung? Für einen Moment ließ sich Gabrielle von dem Gedanken hinreißen. Aber dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, er verabscheut mich. Er hat gedroht, das Sorgerecht für das Baby einzuklagen. Deshalb habe ich London so schnell verlassen.“
„Ich verstehe. Nun, ich habe da meine eigenen Ansichten, warum er das tut. Aber ich werde mich hüten, sie auszusprechen. Ich kann dir nur einen Tipp geben, Gabrielle: Stolz ist ein kalter und herzloser Ratgeber. Wenn du Doyle liebst, dann nimm all deinen Mut zusammen und finde heraus, was er für dich fühlt.“
Das Wetter in London war noch schlimmer als in Paris. Regen fiel unablässig vom Himmel, grimmig aussehende Menschen hasteten durch graue Straßen, die Regenmäntel gegen den kalten Wind eng um sich geschlungen.
Das Taxi setzte Gabrielle vor einem großen Tor an den Docks ab. Vorsichtig ging sie um die Pfützen herum, bis sie das Gebäude fand, nach dem sie gesucht hatte. Kein Schild zeigte an, dass Doyle hier seine Geschäftsräume hatte. Nur die Hausnummer, die trüb im Licht der Laterne schimmerte, war die gleiche wie die auf Doyles Visitenkarte angegebene.
Gabrielle knüllte unbewusst die Karte in ihrer Hand zusammen und versuchte den Mut wiederzufinden, der sie bis hierher gebracht hatte. Sie konnte doch unmöglich da hineingehen und Doyle erklären, dass sie ihn liebte. Es konnte nur auf einen Anfall geistiger Umnachtung zurückzuführen sein, dass sie überhaupt an so etwas gedacht hatte!
Sie hatte sich schon halb abgewandt, als die Tür aufgerissen wurde. Ein Mann schoss regelrecht auf sie zu und konnte sich gerade im letzten Moment bremsen, bevor er mit ihr zusammenstieß.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Tut mir leid, ich wollte Sie nicht so erschrecken.“
Gabrielle brachte ein schwaches Lächeln zustande und betrachtete ihr Gegenüber. Er sah überhaupt nicht aus wie Doyle, war schlank, blond und hatte ein fast jungenhaftes Gesicht. Aber er war drahtig und durchtrainiert und strahlte die gleiche gelassene Autorität aus wie Doyle … Lieber Himmel, würde sie von jetzt an jeden Mann mit Doyle vergleichen?
„Nein, es geht schon, es war meine Schuld“, sagte sie hastig.
Der Mann grinste breit. „Na, wenn Sie es sagen …“ Dann wurde sein Blick intensiver. „Wollten Sie zu Doyle?“
Unwillkürlich richtete sie ihre Augen auf die Tür. Doyle war also da. Sie brauchte nur hineinzugehen und … und …
Ihr Mut hatte sich endgültig in Luft aufgelöst. „Nein … nein, es ist nicht wichtig. Wirklich nicht.“
„Unsinn, Sie kommen doch an einem solchen Abend nicht den weiten Weg hierher, wenn es nicht wichtig ist.“ Bevor sie noch abwehren konnte, öffnete er die Tür, schob Gabrielle hinein und rief: „Doyle, du hast Besuch.“
„Komme.“
Panik überfiel Gabrielle. Sie wollte sich umdrehen und davonrennen, aber da stand Doyle auch schon im Raum.
„Gabrielle!“ Seine Stimme klang nicht überrascht, doch sein ganzer Körper drückte nichts anderes als genau das aus. Regungslos stand er da, genauso steif wie sie. Sie starrten einander schweigend an.
Der blonde Mann grinste breit. „Ah, so ist das. Soll ich mich verflüchtigen, oder brauchst du meine Unterstützung, Doyle?“
Endlich kam Bewegung in Doyle, die Starre löste sich. „Hau ab, O’Rourke“, knurrte er gutmütig.
„Jawoll, Sir, Major, Sir!“ Der junge Mann schlug übertrieben die Hacken zusammen, salutierte spöttisch und ließ die beiden allein.
Gabrielle sah sich in dem Zimmer um, nahm die dezent grünen Wände wahr, die Ledersessel, den schweren Mahagonischreibtisch, der eine Zimmerecke dominierte. Zwei Türen führten in andere Räume, aus einer dieser Türen war Doyle vor wenigen Minuten getreten. Ansonsten schien es unnatürlich still im Gebäude zu sein.
„Tut mir leid, wenn ich störe …“
„Ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst …“
Sie hatten beide gleichzeitig gesprochen, und gleichzeitig brachen sie ab. Doyle lächelte. „Du zuerst.“
Sie umklammerte ihre Handtasche fester. „Ich wollte mich entschuldigen, dass ich störe. Aber der Mann bestand darauf, dass ich hereinkomme.“
„Du störst nicht, und er hat völlig recht, dass er darauf bestanden hat. Schließlich bist du hergekommen, warum wolltest du dann unverrichteter Dinge wieder umkehren?“
Ihre Wangen begannen zu brennen. Das war ja noch
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